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- DGB-Chef Reiner Hoffmann
Schmusekurs nicht in unserem Namen
Hans-Gerd Öfinger unterstützt die Kritik von DGB-Senioren am Gewerkschaftschef
Die von vielen Gewerkschaftern als »Schmusekurs« empfundene Haltung der DGB-Führung gegenüber der neu aufgelegten Großen Koalition (GroKo) sorgt weiter für Debatten. Neben dem von zahlreichen Funktionären in DGB und Einzelgewerkschaften unterstützten Appell »Sozial statt GroKo-Politik« machte jetzt auch ein Aufruf des Koordinierungskreises gewerkschaftlicher Seniorenpolitiker in Norddeutschland die Runde. Beide Papiere sehen den Redebeitrag von DGB-Chef Reiner Hoffmann beim SPD-Sonderparteitag im Januar und sein dickes Lob für das GroKo-Sondierungspapier äußerst kritisch.
»Wir haben uns gründlich mit dem Koalitionsvertrag auseinandergesetzt. Wir waren entsetzt und empört über die Unterstützung der GroKo durch den DGB«, heißt es in dem Protestbrief des Koordinierungskreises. Es sei inakzeptabel, dass Hoffmann beim Parteitag im Namen des DGB oder zumindest des DGB-Vorstands gesprochen habe. »Bitte teile uns mit, wann der DGB-Vorstand das Thema Koalitionsverhandlungen diskutiert hat und ob es einen Beschluss gab, dass Du offiziell für Koalitionsverhandlungen plädieren sollst«, so die Aufforderung an Hoffmann. Tatsächlich ändere die Politik der GroKo »nichts, bestenfalls wenig, an den ungerechten und unsozialen Entwicklungen in Deutschland«, sind die Verfasser überzeugt. Wenn der DGB schon keine Antworten auf die Rechtsentwicklung in der Bundesrepu-blik habe, sollte er auf keinen Fall für die unsägliche »Weiter-so«-Politik der Koalition Partei ergreifen. »Das wird im schlimmsten Fall den rechten Menschenfängern nützen und nicht nur unseren Organisationen schweren Schaden zufügen.«
Der Appell der DGB-Senioren ist berechtigt - gerade in der Rentenpolitik. Maßgeblich von der SPD geprägt, fördern Regierungen seit gut zwei Jahrzehnten eine massenhaft um sich greifende Altersarmut. Flaschen sammelnde Senioren, die ein Leben lang gearbeitet haben, sind aus dem Straßenbild unserer Städte leider nicht mehr wegzudenken. Der größte Rückschritt bei der gesetzlichen Rente trägt den Namen von Ex-IG-Metall-Vize Walter Riester. Als Sozialminister unter Gerhard Schröder zeichnete er für die Absenkung der Rentenleistungen und Teilprivatisierung der Rente verantwortlich. Um die Jahrtausendwende war die Bereitschaft der Spitzen von IG Metall und DGB zur Mobilisierung gegen den »Kollegen Riester« sehr gering.
Nun ist es höchste Eisenbahn und Zeit zur Umkehr. Dass kürzlich spanische Senioren landesweit gegen Altersarmut auf die Straße gingen, zeigt, was auch hierzulande kommen wird. Engagierte Gewerkschafter sollten die DGB-Kundgebungen am 1. Mai nutzen und unübersehbar wie unüberhörbar signalisieren: Reiner Hoffmann hat mit seinem GroKo-Schmusekurs nicht in unserem Namen gesprochen.
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