»Es passiert sehr wenig bis nichts«
Warnemünder Meeresforscher kritisieren Umgang der Politiker mit Umweltgefahren
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) haben die schleppende Umsetzung von Forschungsergebnissen in der Politik kritisiert. »Es passiert sehr wenig bis gar nichts«, sagte die IOW-Wissenschaftlerin Maren Voß am Donnerstag in Warnemünde. Ein Beispiel sei die schon seit Jahrzehnten bekannte Überdüngung der Ostsee durch Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft. »Die sind nur unwesentlich zurückgegangen.« Gleichzeitig gebe es immer mehr Tierzucht, aus Sicht von Ökologen und Meeresforschern »ein echter Irrweg«.
Im IOW wurde am Donnerstag die Erstausgabe einer Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag von Elisabeth Mann-Borgese (1918-2002) präsentiert. Sie hatte als Ökologin starke Impulse für die Meeresforschung und den Schutz der Meere gegeben. Eine der zentralen Thesen von Mann-Borgese, die auf der Briefmarke steht, lautet: »Wir müssen die Ozeane retten, wenn wir uns selbst retten wollen«. Eines der Forschungsschiffe des IOW ist nach ihr benannt.
Erschwerend kommt laut Voß hinzu, dass Lehrstühle und Forschungseinrichtungen für die Umwelttoxikologie abgebaut werden. Sie seien offensichtlich unerwünscht. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang die chemische Industrie, die sich wenig kooperativ zeige, wenn es um die Herausgabe von Daten über die Substanzen geht.
»Eine große Herausforderung im Meeresschutz sind die Dünger sowie Antibiotika oder andere Pharmazeutika«, sagte IOW-Chef Ulrich Bathmann. Bislang hätten diese Stoffe unterhalb der Schwellenwerte gelegen. »Inzwischen können wir deren Konzentrationen nachweisen. Es besteht die Gefahr, dass die Konzen-trationen steigen.«
Dies werde besonders deutlich am Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, das im Gegensatz zu früheren Angaben der Industrie nicht vollständig im Boden abgebaut wird. Auch hier sei zu befürchten, dass es zu einer Anreicherung in den Gewässern komme. »Die Ursachen müssen an der Wurzel bekämpft werden«, forderte Bathmann. Die Wissenschaft sei dagegen gezwungen, Detektivarbeit zu leisten, um die Substanzen überhaupt identifizieren und sie dann inklusive der Abbauprodukte im Ökosystem nachweisen zu können.
Allerdings, sagte Bathmann, gebe es auch positive Beispiele bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in konkretes politisches Handeln. So würden in der Fischereipolitik die Empfehlungen der Wissenschaft ernst genommen. Das drücke sich in der Reduktion von Fangquoten und auch Einschränkungen für Angler aus, so Bathmann. Dabei höre er auch immer wieder, dass Fischer die Politik kritisierten. Doch hätte die Politik schon vor Jahren auf die Wissenschaft gehört, gebe es jetzt nicht diese massiven Einschränkungen und Verbote. dpa/nd
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