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  • Kultur
  • Feine Sahne Fischfilet

Mitschunkeln im Kopf

Der kreuzbrav erzählte Dokumentarfilm »Wildes Herz« entführt den Zuschauer in eine Spießerhölle abgematteter Vokuhila-Farben

  • Jasper Nicolaisen
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dilettantismus der Band Feine Sahne Fischfilet ist nichts aufregend oder eigenwillig. Bemerkenswert ist allein ihr stures Engagement gegen Nazis in den gottverlassenen Kuh- und Säuferweiten Mecklenburg-Vorpommerns. Im Vorfeld der letzten Landtagswahlen spielte Feine Sahne Fischfilet dort landauf, landab, verkündete von der Bühne einfache, aber richtige Dinge wie die Tatsache, dass Nazis scheiße sind, und lockte allerlei andere unheilige Schlagertrottel und Schlüpferstürmer wie Campino und Marteria in das shithole country.

Das wäre als Thema einer Dokumentation so uninteressant nicht. Der Film tut allerdings wenig, um sein Objekt irgendwie angenehm oder auch nur interessant zu machen.

​Machen statt labern
Mit »Wildes Herz« ist Regisseur Charly Hübner ein intimes Portrait der Band Feine Sahne Fischfilet und ihrem Sänger Monchi gelungen.

Die »coolen Leute«, die die Band zusammenbringen will, haben jedenfalls kein Problem damit, der Aufforderung nachzukommen, mal zu zeigen, »wer hier Eier hat«, und sich, dem Vorbild der unguten Einpeitscher folgend, die T-Shirts vom Leib zu reißen. Überhaupt: »Mir rutscht schon mal ein ›Fotze‹ raus«, schmunzelt der Sänger der »antifaschistischen Punkband«, das grundschmierige Bärchen Monchi, in die Kamera.

Kreuzbrav von A nach B erzählt, entführt uns der Dokumentarfilm »Wildes Herz« in eine Spießerhölle abgematteter Vokuhila-Farben. Monchi als Kind ist der Prototyp des feisten Klassenclowns, für den es eigentlich immer eine Scheibe mehr sein darf. Singen konnte er, da sind sich alle Lehrerinnen und Kinderkreisleiter einig, eigentlich schon damals nicht. Er tut es trotzdem, und geht ansonsten im Gefolge der Gurkentruppe »Hansa Rostock« seinen Hobbys Mitlaufen, Alkohol und Sachbeschädigung nach. Irgendwann beschließt er, Antifaschist zu werden, weil … ja, warum eigentlich? Die Saulus-zum-Paulus-Geschichte, die die Dokumentation mit den ihren schwer einschläfernden Talking Heads vor Schrankwänden erzählen will, hebt einfach nicht ab, weil diese eine Frage, die das nach Bier und Männerschweiß duftende Muppet Monchi allein noch interessant machen könnte, nicht einmal beantwortet wird. Was genau ist eigentlich antifaschistisch an Feine Sahne Fischfilet, wo die Musik doch auch nicht anders klingt als die der Toten Hosen oder einem Dutzend ähnlicher Männerkapellen? Wie wird einer wie Monchi vom unpolitischen Prügelaugust zum Anti-Nazi-Punkrocker? Hat er einfach nur das Team gewechselt und die Slogans getauscht? Ist die Band am Ende doch größer als der Scheiß, den sie fabriziert? Möglicherweise gibt es darauf überzeugende Antworten. Der Film zeigt sie nicht.

Durch die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, zu denen es dort im Jahr 1992 kam, habe er gelernt, dass man sich beim Kampf gegen Nazis nicht auf Staat und Polizei verlassen dürfe, sagt Monchi. So richtig es ist, dass der Kampf gegen Faschismus zuallererst ein Kampf gegen die Mitte der Gesellschaft ist, gegen den Drang zum Mitklatschen und Mitschunkeln auch im eigenen Kopf, es ist offenbar nicht angekommen.

Im Anschluss an diesen Film wird womöglich wieder viel mit Rechten geredet werden.

»Wildes Herz«, Deutschland 2017. Regie: Charly Hübner, Sebastian Schultz. 90 Min.

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