»Moralische Schmerzgrenze«: Campino kritisiert Rapper Kollegah und Farid Bang

Toten-Hosen-Sänger kritisiert bei Echo-Verleihung »ausgrenzende Provokation« in Rap-Texten

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Rapper Kollegah und Farid Bang haben die Verleihung der Echos überlagert. Toten-Hosen-Sänger Campino las den beiden Musikern am Donnerstagabend vor der versammelten Musikbranche in Berlin die Leviten - Kollegah wies dies später als »relativ stillos« zurück. In Abwesenheit holte Weltstar Ed Sheeran derweil die wichtigsten Echos für den Hit des Jahres und das Album des Jahres.

Im Vorfeld der Echo-Verleihung hatten die Nominierungen für Kollegah und Farid Bang bereits Proteste ausgelöst. Diesen wird Antisemitismus vorgeworfen, in einer Liedzeile ihres besonders umstrittenen Lieds »0815« heißt es etwa, »mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen«. Kollegah wies die Antisemitismus-Vorwürfe als Kampagne zurück und versprach etwa jüdischen Hörern freien Eintritt zu seinen Konzerten auf Lebenszeit.

Toten-Hosen-Sänger Campino griff die beiden in seiner eigenen Dankesrede für die Auszeichnung seiner Band für den Preis in der Kategorie Rock national scharf an. Campino sagte, »im Prinzip halte ich Provokation für gut und richtig«. Für ihn sei aber die Grenze überschritten, wenn es um frauenverachtende, homophobe Texte oder die Diskriminierung von Religionen gehe, sagte der Punkrocker unter Applaus des Publikums der Festgala. Er hoffe, dass die Diskussion über Kollegah und Farid Bang wieder zu einem anderen Bewusstsein führe, »was als Provokation noch erträglich ist und was nicht«.

Aber Campino ging es nicht um einen Rap-Song, wie er selbst sagt. »Es geht doch vielmehr um einen Geist, der zur Zeit überall präsent ist«, betont der 55-Jährige. »Nicht nur in der Musik, sondern auch in den sozialen Medien, im täglichen Fernsehtrash und in der Politik.«

Trotz der Diskussion über ihre Texte gewannen die beiden Rapper den Preis in der Kategorie Hip-Hop/Urban National. Kollegah warf Campino vor, sich »als moralische Instanz« aufgespielt zu haben. Dies gebühre eigentlich »einem so großen Musiker wie Campino nicht«. Der Bundesverband Musikindustrie als Ausrichter des Echo hatte noch kurz vor der Gala die Entscheidung, die Rapper nicht auszuschließen, als eine »Entscheidung im Sinne der Kunstfreiheit« gerechtfertigt.

Die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigte sich entsetzt über den Echo für die Rapper. Es sei »ein verheerendes Zeichen«, den wichtigsten deutschen Musikpreis an »vermeintliche Künstler« zu verleihen, die ein gesellschaftliches Klima bedienen, in dem Antisemitismus offenbar wieder normal sei, erklärte Knobloch in München.

Insgesamt gab es für den wichtigsten deutschen Musikpreis 90 Nominierte für 22 Auszeichnungen. Die mit »No Roots« bekannt gewordene Alice Merton gewann die Kategorie Künstlerin Pop National, Milky Chance (»Blossom«) als Band Pop National. Als beste Band international wurden Imagine Dragons (»Evolve«) ausgezeichnet.

Der erkrankt abwesende deutsche Superstar Robin Schulz gewann einen Echo in der Kategorie Dance National. Damit konnte Schulz bereits das vierte Jahr in Folge eine der Auszeichnungen gewinnen. Zum vierten Mal einen Echo gewann die Band Santiano in der Kategorie Volkstümliche Musik. Alles in den Schatten stellt allerdings dabei weiter Helene Fischer, die die Kategorie Schlager gewann und damit ihren bereits 17. Echo gewann - kein Künstler ist erfolgreicher. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.