Werbung

Studentenproteste an französischen Universitäten

Macrons Bildungsreform findet an den Hochschulen viele Gegner / Rassistische Auswahlkriterien bei der Zulassung befürchtet

  • Ulrike Kumpe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die studentische Besetzung der Pariser Universität Sorbonne ist am Donnerstagabend durch die französische Polizei geräumt worden. Andere Universitäten in Frankreich bleiben weiterhin ganz oder teilweise besetzt. Die Studierenden fordern die Rücknahme des Gesetzes, das den Zugang zu den staatlichen Universitäten zukünftig beschränken soll.

Nach drei Stunden erfolgloser Verhandlungen der Universitätsleitung mit den Studierenden hatte diese die Polizei beauftragt, die Besetzung zu räumen. Dabei sei es zu keinen Zwischenfällen gekommen, meldete die französische Polizei. Die bekannte Universität Paris-Sorbonne ist nicht die einzige besetzte Universität in Paris. Daneben gab es auch Besetzungen an der Universität Nanterres und Tolbiac. Darüber hinaus sind Universitäten in Lille, Rennes, Marsaille, Toulouse und Straßburg besetzt.

Ein Zwischenfall ereignete sich an der Universität Paris-Nanterres. Hier wurden sieben Personen verhaftet, weil sie die Unterstützung von Kurden und den BesetzerInnen von Notre-Dames-Landes forderten. Angaben von »Le Monde diplomatique« Frankreich zufolge gab die Polizei bekannt, dass die Universitätsleitung sie angefordert habe, da es sich nicht um Studierende handele. Allerdings stellte sich heraus, dass einer der Inhaftierten Mitglied des größten französischen Studierendenverbandes (Unef) ist.

Der Unef teilte indes mit, dass es für ihn inakzeptable sei, dass die Antwort der Universität auf Studentenproteste der Einsatz von Polizei sei: »Die Polizei hat ihren Platz nicht an unseren Universitäten!« Auch Präsident Emmanuel Macron heizt die Stimmung an, indem er in einem Fernsehinterview erklärte, dass es sich bei den Besetzern an den Universitäten nicht um Studierende, sondern um »professionelle Aufwiegler« handele. Unterstützung bekommen die Studierenden von den streikenden Eisenbahnern und der Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT).

Bislang stehen Abiturienten alle Studiengänge an staatlichen französischen Universitäten offen. Das Prinzip der Gleichheit wird bislang hochgehalten, obwohl das französische Schulsystem als stark selektierend gilt. Da es aber mehr Studierende als Studienplätze bei einigen Studiengängen gibt, werden diese bislang verlost. In Frankreich gibt es keine Zugangsbeschränkung wie den »Numerus clausus« für ausgewählte Studiengänge wie an deutschen Universitäten. Dem steht allerdings eine recht hohe Abbrecherquote gegenüber.

Das soll durch ein neues Gesetz der Regierung nun anders werden. Befürworter des Gesetzes argumentieren, dass es bereits ein Selektionssystem »Abbrechen durch Scheitern« gäbe und dass sich Abiturienten so sehr viel genauer im Vorfeld überlegen müssten, welchen Studiengang sie belegen wollen. Gegner des Gesetzes argumentieren, dass voraussichtlich rassistische Auswahlkriterien bei der Zulassung zu den Hochschulen zur Anwendung kommen könnten.

Gegenüber Deutschlandfunk erklärte Julie Pagis, Dozentin an der Pariser Hochschule für Sozialwissenschaften und Gegnerin des Gesetzes: »Ich halte es eben für extrem wichtig, dass die Universität ein Ort bleibt, der offen für alle ist! Wer nicht schon aus akademischen Kreisen an die Uni kommt, weiß oft nicht sofort genau, was er studieren soll, relativ viele entscheiden sich nach einem Jahr noch mal um - so etwas wird durch die neuen Regeln unmöglich gemacht!« Eine offene Universität für alle sei in Frankreich immer wichtig gewesen. Das sei eine »essenzielle Grundlage unserer Geschichte«, so Pagis. »Das jetzt so in Frage gestellt zu sehen, ist traurig.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.