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Koffer gepackt: »Zeitgeistproblem« Judenfeindlichkeit
Ein jüdischer Rapper, linke Hip-Hopper und Berlins Kultursenator sehen ein »Zeitgeistproblem« hinter der Echo-Kontroverse
Der jüdische Rapper Ben Salomo attestiert der deutschen Rap-Szene nach der Kontroverse um die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang eine starke Judenfeindlichkeit. Die deutsche Rap-Szene sei in weiten Teilen genauso antisemitisch wie die deutsche Rechtsrock-Szene, sagte Salomo der »Berliner Morgenpost« (Samstag). Sehr viele glaubten an antijüdische Verschwörungstheorien. »Dadurch kommt das dann auch immer wieder in den Songs vor«, sagte der Berliner Musiker.
Die beiden Rapper seien ein starker Multiplikator dieser Vorurteile, so Salomo. »Sie haben Millionen junge und fanatische Fans, die die Rapper als Idole sehen. Die können das noch gar nicht reflektieren. Das ist eine sehr, sehr gefährliche Sache. Dass der Echo so was auch noch kürt, ist kein Skandal, das ist ein komplettes Versagen.«
Nach der umstrittenen Echo-Verleihung nimmt Berlins Kultursenator die Gesellschaft und die Musikindustrie in die Pflicht. »Der eine Satz der Rapper, der jetzt überall zitiert wird, ist krass und dumm«, sagte Klaus Lederer (LINKE) am Samstag auf einem Parteitag in Berlin-Adlershof. Es geht um die Textzeile »Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen«.
Dass die beiden Rapper aber ein Weltbild transportierten, das vor Verschwörungstheorien, Sexismus und Ungleichheitsvorstellungen nur so triefe und dass sich das offenbar prächtig kommerzialisieren lasse, dem werde »weder in der Musikindustrie aber auch im öffentlichen Diskurs« begegnet. »Sondern wir erleben massive Ignoranz. Das ist ein Zeitgeistproblem«, sagte Lederer.
In die gleiche Richtung äußerten sich auch die Rapper der Antilopen Gang. Die Auschwitz-Textzeile sei tatsächlich eine zu vernachlässigende Battlerap-Punchline, das Problem sei eher, dass sich »reaktionäre Inhalte in Deutschland massenhaft verkaufen«. Auf seinem YouTube-Kanal würde sich Kollegah »mittlerweile wie ein faschistischer Agitator« gerieren und mit seiner großen Reichweite den »Volkszorn« und »Israelhass« sowie Verschwörungstheorien wie Pizzagate und Chemtrails schüren.
Er selbst habe Antisemitismus in der Rap-Szene auch erlebt, berichtete Rapper Ben Salomo. Er ist seit Ende der 90er Jahre dabei. »Das fängt damit an, dass Backstage jemand einen Joint nicht weitergibt und als ›Jude‹ beschimpft wird. In Gesprächen mit anderen Rappern werde ich sofort in die Außenminister-Position von Israel gedrängt. Da soll ich mich dann von der Politik Israels distanzieren.« Aber er habe Antisemitismus nicht nur in der Rap-Szene erlebt - das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. »Ich wurde bereits in der siebten Klasse von türkischen und arabischen Mitschülern wegen meines Jüdischseins diskriminiert und angegriffen.«
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Als Jude fühle er sich in der deutschen Rap-Szene nicht mehr wohl, so Salomo weiter. Deshalb ziehe er sich aus der Szene zurück. Aber es geschehe auch insgesamt zu wenig gegen Antisemitismus in diesem Land. »Gefühlt sitze ich deshalb auf gepackten Koffern in Deutschland.« Agenturen/nd
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