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»Für uns ist das Land unsere Identität«

Nonhle Mbuthuma über den Kampf in Südafrika gegen den zerstörerischen Bergbau

  • Tanja Tabbara
  • Lesedauer: 6 Min.

Was zeichnet die Region Pondoland aus?

Unsere Gegend hat die schönste und ursprünglichste Natur Südafrikas. Sie ist auf Platz sechs in der Welt hinsichtlich ihrer Biodiversität. Es gibt Arten, die man nur in Pondoland findet. Wir Menschen sehen uns als Teil dieses Systems und wir wissen, wie man diese Artenvielfalt bewahrt, auf unsere eigene indigene Art und Weise. Viele Menschen an der Küste wurden zwangsumgesiedelt und Hotels gebaut. Für uns ist das Land unsere Identität. Wir betreiben ökologische Landwirtschaft. Die Leute wissen, dass sie bei uns gesunde Lebensmittel bekommen.

Nonhle Mbuthuma

Nonhle Mbuthuma ist die Sprecherin des Amadhiba Krisenkomitees in Südafrika, das 2007 von den Bewohner*innen von Xolobeni in Pondoland gegründet wurde, um sich gegen den Abbau von Titan in ihrer Region zu organisieren und zur Wehr zu setzen. Über die Lage im Distrikt Amadhiba und dem Dorf Xolobeni sprach mit ihr für »nd« Tanja Tabbara, Leiterin des Afrikareferats der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Wie wirkt sich das beantragte Bergbauprojekt in Pondoland aus?

Die Tochtergesellschaft der australischen Mineral Resource Commodities (MRC), Transworld Energy Minerals (TEM), will Titan in unserer Region abbauen. Als die Briten (die Englisch sprechende weiße Bevölkerung Südafrikas, d. Red.) in den 50er und 60er Jahren kamen, ging es uns vergleichsweise gut, da sie unsere Gemeinschaft nicht gespalten haben. Aber als MRC 1996 kam, versuchten sie, unsere Führungsfiguren zu bestechen. Wir begannen, uns gegenseitig zu misstrauen. Heute gibt es bei uns Pro-Bergbau- und Anti-Bergbau Leute. Früher hat jeder an Zeremonien teilgenommen, die das ganze Dorf betrafen, wie zum Beispiel Beerdigungen. Heute hast du Angst. Man weiß nie, ob man vertrauen kann.

Ihr Cousin ist auf der anderen Seite. Warum wollen Menschen in ihrer Gemeinschaft den Bergbau?

Es ist Gier. Mein Cousin denkt nur an sich, nicht an die nachfolgende Generation. Er denkt kurzfristig und hofft auf das große Geld. Aber das Land wird zerstört werden. Die Zerstörung durch den Bergbau ist nicht umkehrbar. Was also ist mit seinen eigenen Kindern?

Wie wurden Sie Führungsperson in Ihrer Gemeinschaft?

Mein Großvater war mein großer Held, er hat mich groß gezogen. Er hat mir alle Geschichten erzählt. Alle Lieder, die wir singen, habe ich von ihm gelernt. Er wusste genau, was Entwicklung ist. Er hat immer gesagt, dass der Bergbau das Land zerstört. Er hat auch gesagt, dass Geld keinen Bestand hat. Mach nie den Fehler, das Land zu verkaufen, hat er immer betont. Mein Großvater meinte, dass die Kämpfe gegen die Apartheidregierung in den 50er und 60er Jahren einfacher waren. Damals wusste man, wer der Feind ist. Heute muss man noch stärker sein.

Als die Bergbauunternehmen zum ersten Mal kamen, war ich noch in der Schule. Ich bin müde, hat mein Großvater gesagt, jetzt bist du an der Reihe, um für deine Kinder zu kämpfen. Ich habe gelernt, keine Angst zu haben, auch wenn es sein kann, dass ich sterben werde. Der Bergbau tötet dich auch, er vergiftet dich langsam. Mit zwölf Jahren bin ich das erste Mal zu den Versammlungen der Dorfgemeinschaft gegangen. In den ländlichen Gegenden beteiligen sich normalerweise nur die Dorfältesten an den Versammlungen der Dorfgemeinschaft. Ich war damals mutig genug hinzugehen. Ich habe dann mehr junge Leute dazu bewegt, an den Versammlungen teilzunehmen. Wir haben uns dann organisiert, um gegen den Bergbau zu protestieren.

Welche Rolle spielt die südafrikanische Regierung hierbei?

Früher dachte ich, MRC ist unser Feind. Heute denke ich, dass unser Feind unsere eigene Regierung ist. Wir leben in einem Naturschutzgebiet. Es ist uns nicht einmal erlaubt, richtige Häuser zu bauen. Aber dem Bergbauunternehmen hat unsere Regierung den Bergbau gestattet. Die Polizei ist so parteiisch. Wir haben hier auch eindeutige Interessenkonflikte: Einige Staatspersonen besitzen Anteile an den Bergbauunternehmen. Der Vorsitzende des Amadhiba Krisenkomitees wurde im Februar 2016 erschossen.

Vor dem Mord an ihm gab es Massenmobilisierungen gegen geplante Bohrungen in unserer Gegend. Es gelang uns mehrere Male, sie davonzujagen. Es gab immer Schikane von der Polizei. Manchmal kam die Polizei nachts und schlug unsere Türen ein. Die Polizei hat eine »Todesliste«. Drei Leute waren auf der »Todesliste«.

Bazooka (der erschossene ehemalige Vorsitzende des Amadhiba Krisenkomitees), war sehr gut vernetzt. Er hatte herausgefunden, dass es so eine »Todesliste« gab. Nonhle, Du bist auf Platz eins auf der Liste, hat er mir damals gesagt. Sie sind hinter dir her, weil du gebildet bist und reden kannst. Sie haben versucht, Bazooka zu bestechen. Er aber hat sich nicht bestechen lassen. Sein Fall wurde niemals aufgeklärt.

Können Sie mir über den anhängigen Fall berichten, bei dem es um das »freie, vorherige und informierte« Zustimmungsrecht, das Recht der Gemeinschaften, »Nein zu sagen«, geht?

Als MRC die erste Konsultation im Jahre 2004 durchgeführt hat, wurde eine Versammlung einberufen und wir mussten uns alle in ein Anwesenheitsregister für Beteiligung der Öffentlichkeit eintragen lassen. 2008 hat die Abteilung für Mineralrohstoffe (Department of Mineral Resources - DMR) MRC eine Lizenz erteilt, mit der Begründung, das Unternehmen hätte 3500 Unterschriften für die Unterstützung des Bergbaus bekommen. Aber als wir diese Liste gesehen haben, stellte sich heraus, dass sie einfach Unterschriften von allen Gemeinschaftstreffen genommen hatten!

Sogar Menschen, die lange vor 2008 gestorben waren, fanden sich auf der Liste! Konsultation meint für sie also nur, dass sie uns dazu bringen wollen, ein Kreuz für den Bergbau zu machen. Wir haben nicht wirklich die Wahl. Seit diesem Vorfall weigern wir uns, Anwesenheitslisten zu unterschreiben. Die Bosse des Unternehmens haben gesagt, wir müssten den Konsultationsprozess einhalten. Und da wir uns nicht daran hielten und es keinen richtigen Konsultationsprozess mehr gäbe, könnten sie mit ersten Bohrungen beginnen. Die südafrikanische Regierung hat dem zugestimmt. Daraufhin beschlossen wir, gegen sie zu mobilisieren.

Wir haben wunderschöne Gesetze, aber wir haben nicht das Recht »Nein zu sagen«. Unsere Verfassung erkennt das Gewohnheitsrecht an. Laut Gewohnheitsrecht haben wir das »Recht, ›nein‹ zum Bergbau zu sagen«. Aber dieses Recht wird von unserer Regierung ignoriert. Wenn du in Südafrika Recht bekommen willst, dann musst du dein Recht vor Gericht einklagen. Wir klagen also jetzt gegen unsere eigene Regierung. Das Urteil wird zwischen dem 23. und 26. April beim Obersten Gericht in Pretoria gefällt. Wenn wir den Fall gewinnen, ist das ein Meilenstein für alle Gemeinschaften, die gegen Bergbau kämpfen.

Wie leben Sie heute, wo ihr Leben in Gefahr ist?

Ich lebe an unterschiedlichen Orten wegen der Drohungen. Mein Leben hat sich deswegen sehr verändert. Es ist kein normales Leben mehr und stresst mich ungemein. Wenn ich laufe, schaue ich immer hinter mich. Ich kann nicht in mein Dorf zurück, das der Ort ist, den ich am meisten liebe und wo die Menschen leben, die ich am meisten liebe. Ich muss an einem Ort leben, der sich wie ein Gefängnis anfühlt, an dem ich noch nicht einmal die Nachbarn kenne. Ich möchte, dass diese Bergbaugeschichte endlich endet. Einige von uns werden wahrscheinlich nicht durch Kugeln oder Gift sterben, sondern durch den Stress, den wir tagtäglich durchleben.

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