Vollbeschäftigung, die sie meinen

Kurt Stenger über eine falsche Zielsetzung der Bundesregierung

Die Kanzlerin hält sie bis 2025 für machbar, der Wirtschaftsminister hat sogar einen recht konkreten Plan für sie: die Vollbeschäftigung. Was nach einem Relikt aus der Wirtschaftswunderzeit klingt, scheint, wenn man dem schwarz-roten Koalitionsvertrag glaubt, in greifbarer Nähe zu sein.

Dafür greift die Regierung aber tief in die Trickkiste. Sie hält das Kriterium bei einer Arbeitslosenquote von drei Prozent erfüllt. Das ist reine Willkür, denn eine offizielle Definition gibt es nicht. Ohnehin tauchen Millionen Arbeitslose in der Statistik nicht auf. Besser wäre es, ein Gleichgewicht der Zahlen Arbeitssuchender und adäquater offener Stellen anzustreben, wovon Deutschland weit entfernt ist. Im Grunde sollte Vollbeschäftigung bedeuten, dass jemand, der seinen Job verliert, gleich wieder einen geeigneten neuen findet. Doch hier entwickelt sich alles zum Schlechteren: Bei Hartz-IV-Beziehern steigt die Dauer der Arbeitslosigkeit weiter an. Ferner sollte Vollbeschäftigung auf gute Arbeit verweisen - Vollzeitjobs, von denen man leben kann. Aber der Jobboom der letzten Zeit geht auch auf Zeitarbeit, Niedriglohnjobs und Scheinselbstständigkeit zurück.

Die Bundesregierung sollte bei den realen Problemen der Arbeitslosen ansetzen. Was nützt es, wenn man dereinst Vollbeschäftigung konstatiert, die mit der Lebenswirklichkeit vieler nichts zu tun hat?

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