Überall der gleiche Kreisverkehr

Die anarchistische Band The Ex erzählt in ihren Songs vom Kapitalismus

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Soon all cities will have the same restaurants / Soon all cities will have the same roundabouts / Soon all cities will have the same governments / Soon all cities will have the same accidents.« Man kennt das auch aus all den identischen deutschen Fußgängerzonen, wo nebeneinander der McDonald’s, die Parfümerie Douglas, die Kaufhof-Filiale und der H&M aufgereiht sind. Überall sieht es gleich aus, überall die gleichen am Warenangebot vorbeidefilierenden Konsumzombies mit ihren am Ohr klebenden Handys. Ich kaufe, also bin ich. Überall dieselbe leere Betriebsamkeit, überall die gleichen Stahl-Glas-Gebäudekonstruktionen, überall die gleichen »Entscheider« und Ohrfeigengesichter in Businessanzügen. In allen Städten wird es künftig gleich aussehen, denn der Kapitalismus expandiert, indem er sich das Nichtidentische aneignet, es zerstört oder verschwinden lässt.

Die Gruppe The Ex weiß das, sie kennt sich mit dem Kapitalismus aus, weiß, wie der Markt funktioniert, weshalb sie ihn auch nicht bedienen mag. Viele ihrer Songtexte sind gebaut wie unsentimentale Gedichte über den alltäglichen, mal scheiternden, mal gelingenden Kampf des Individuums gegen eine täglich menschenfeindlicher werdende Welt. »This continent ends in / A blackening smother.« Das anarchistische Bandkollektiv aus Holland, gegründet 1979, seit nahezu 40 Jahren in variierenden Besetzungen existierend (von der Ur-Besetzung ist nur noch die Gitarristin Terrie Hessels übrig), wollte mit dem, was gemeinhin als der Popmusikmarkt verstanden wird, noch nie irgendetwas zu tun haben. In schöner Regelmäßigkeit erscheinen musikalisch sperrige Alben, deren Material vor allem die politische Kompromisslosigkeit und den Gleichberechtigungs- und Kollektivgedanken der Gruppe zeigt: Alles Macker- und Dickehosehafte, die pathetisch geballte Faust und das Kokettieren mit »männlicher« Härte bleiben außen vor.

»Punk« hat man bei The Ex zu keinem Zeitpunkt eindimensional als (sub-)kulturelle Strömung oder Modeerscheinung verstanden, sondern als die Idee, frei musikalische Ideen unabhängig vom Zwang zu deren kommerzieller Verwertung zu entwickeln. Entsprechend hantiert die Gruppe nicht nur mit sägender Krachgitarre und repetitiv-stoischem Polterschlagzeug, verbleibt also ästhetisch nicht im Sonic-Youth-Universum. Schon gar nicht sollte sie mit dem sowohl textlich als auch musikalisch eher unambitionierten WirwollnkeineBullenschweine-Politpunk in dieselbe Schublade gesteckt werden. Enge Verbindungen pflegt man bei The Ex schon immer zur freien Impro-, Kunst- und Experimentalmusikszene und zum Free Jazz, kollaborierte etwa auch mit Folk- und sogenannten Weltmusikern aus Ghana, Äthiopien oder dem Kongo.

Im Jahr 2009, zum 30. Geburtstag der Band, schrieb der Popkritiker Martin Büsser: »Das ist ungewöhnlich, denn das Umfeld, in dem The Ex sozialisiert wurden und in dem sie bis heute noch oft spielen, ist musikalisch - vorsichtig ausgedrückt - sehr konservativ. Die Rede ist von der autonomen Linken. Deren Musikgeschmack hat sich in den vergangenen 30 Jahren so wenig verändert wie der Speiseplan in den Volxküchen. Nahrungsaufnahme und Musik dienen da vor allem der Selbstvergewisserung, die richtige Gesinnung zu haben.« Eine Beobachtung, die wohl auch noch im 39. Jahr des Bestehens von The Ex zutrifft.

The Ex: »27 Passports« (Ex Records/Cargo)

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