Kroatischer Kurzbesuch in Belgrad

Parlamentspräsident bricht Visite nach einer Provokation ab

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.

Bereits nach sechs Stunden endete die als »historisch« angekündigte Staatsvisite der kroatischen Parlamentsdelegation in Serbien. Die von Vojislav Seselj am Mittwoch per Presseerklärung selbst verbreitete Kunde, dass er eine in der Parlamentslobby gehisste Landesflagge Kroatiens erst zu zerreißen versucht habe und dann auf der »Ustascha-Fahne« herumgetrampelt sei, ließ die Gäste ihren Belgrad-Besuch abbrechen. »Da die Würde des kroatischen Nationalsymbols mit einer so abscheulichen Tat verletzt wurde, haben wir beschlossen, nach Zagreb zurückzukehren«, so Kroatiens Parlamentschef Gordan Jandrokovic.

Obwohl offenbar kein Augenzeuge die tatsächliche oder vermeintliche Fahnenschändung durch den Chef der nationalistischen SRS bezeugen kann, hat dessen hämische Selbstbezichtigung für einen neuen Tiefpunkt in der labilen Nachbarschaftsehe beider einstiger Kriegsgegner gesorgt. Am Donnerstag forderte Kroatiens Premier Andrej Plenkovic eine »unzweideutige Verurteilung« Seseljs von Seiten Belgrads.

Zwar haben Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und Regierungschefin Ana Brnabic die kolportierte Fahnenschändung als »schädlich für Serbien« verurteilt, doch die von Zagreb erwartete Entschuldigung blieb aus: Serbiens Botschafterin in Zagreb weigerte sich gar, eine ihr von Kroatiens Außenministerium überreichte Protestnote in Empfang zu nehmen. »Was haben wir denn Schlechtes gemacht? Haben wir Jandrokovic etwa schlecht empfangen? - Nein, haben wir nicht«, so Vucic.

Wegen Aufhetzung zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit war der 63-jährige Seselj von der Nachfolgeinstitution des UNO-Tribunals in Den Haag jetzt in Abwesenheit zu zehn Jahre Haft verurteilt worden. Doch nicht nur weil er seine Strafe dank der 11,5 Jahre im Untersuchungsgefängnis abgesessen hat, genießt er in seiner Heimat weiter ungestrafte Narrenfreiheit: Auffällig lax reagiert Staatschef Vucic auf die Eskapaden seines einstigen Politidols.

Oppositionspolitiker, die mit Verweis auf die Parlamentsstatuten die Aufhebung des Mandats Seseljs fordern, hat dieser angedroht, »die Fresse einzuschlagen«. Die von Vucic geführte SNS sieht als größte Regierungspartei keinen Grund, Seselj das Mandat zu entziehen: Seine Strafe habe er abgesessen. Ungewohnt wortkarg reagiert derweil Vucic auf die Exzesse seines einstigen Politziehvaters: Er hat selbst über das Seselj-Urteil kein Wort verloren.

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