Gutachten: Raketenangriff völkerrechtswidrig
Syrische Truppen finden in Duma angeblich deutsche Chlorbehälter / Kontrolleure noch nicht vor Ort
Am Ort des angeblichen Giftgasangriffs in Syrien sind nach russischen Angaben Chemikalien aus deutscher und britischer Produktion gefunden worden. Syrische Regierungstruppen seien in der früheren Rebellenregion Ost-Ghuta auf Chlorbehälter aus Deutschland und Rauchgranaten aus Großbritannien gestoßen, so Russlands Außenministerium. Der Vorwurf der Inszenierung des mutmaßlichen Chlorgasangriffs in Duma am 7. April wird seit Tagen von Russland erhoben. Die Rebellen wollten so die syrische Armee in Misskredit bringen, hieß es.
Die Funde umfassten, so sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa, »Behälter aus Deutschland mit Chlor, der schlimmsten Art chemischer Waffen, sowie Rauchgranaten, die hergestellt wurden in - aufgepasst! - Salisbury«. In Salisbury hatte sich im März der Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal ereignet.
Als Beleg für die angebliche Inszenierung des Giftgasangriffes will Russland ein Interview mit einem elfjährigen Syrer an die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats versenden, so Russlands UNO-Botschafter Wassili Nebensia. Die Äußerungen sollen belegen, dass der Angriff eine Inszenierung sei. Russlands Staatsfernsehen sendete am Mittwoch das Gespräch mit dem Kind. Ein vom Sender Rossiya 24 als Vater vorgestellter Mann sagte, seinem Sohn seien »Datteln, Kuchen und Reis« für seine Mitwirkung am inszenierten Angriff gegeben worden.
Unterdessen warten internationale Experten auf die Erlaubnis zur Untersuchung des mutmaßlichen Angriffsorts in Duma. Der Westen wirft Russland und Syrien vor, die Mission auszubremsen, um Beweise zu manipulieren.
Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hat indes den von Deutschland unterstützten Militärschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen Syrien als völkerrechtswidrig eingestuft. »Der Einsatz militärischer Gewalt gegen einen Staat, um die Verletzung einer internationalen Konvention durch diesen Staat zu ahnden, stellt einen Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot dar«, heißt es im Gutachten, das von der Linksfraktion in Auftrag gegeben wurde. Darin wird auch die rechtliche Begründung Großbritanniens für den Vergeltungsschlag als Reaktion auf einen mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz durch die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad als »nicht überzeugend« verworfen.
Die Briten hatten argumentiert, das Völkerrecht lasse in Ausnahmefällen Maßnahmen zu, um menschliches Leid zu verhindern. Nach Auffassung der Wissenschaftler waren die Voraussetzungen dafür nicht gegeben. Es sei fraglich, »ob die Militärschläge wirklich geeignet sind, weiteres Leid zu verhindern«. Die LINKE-Abgeordneten Heike Hänsel und Alexander Neu nannten das Gutachten »eine Ohrfeige für die Bundesregierung«. Sie habe einen »gravierenden Völkerrechtsbruch« unterstützt und damit zur Erosion dieses Regelwerkes beigetragen.
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