- Politik
- Rentenreform in Nicaragua
Mehrere Todesopfer auf Demonstrationen
Rentenreformpläne von Präsident Ortega führten zu massiven Ausschreitungen / Ein Journalist erschossen
Managua. Die Proteste gegen die Regierung in Nicaragua reißen nicht ab: Am Wochenende sind erneut tausende Menschen auf die Straße gegangen. Am Samstag wurde ein Journalist getötet, der über Ausschreitungen in der Stadt Bluefields an der Ostküste Nicaraguas berichtete. Auslöser der Protestwelle am Mittwoch war die geplante Rentenreform.
Der Journalist Miguel Ángel Gahona sei in der Nacht zum Samstag erschossen worden, sagte seine Kollegin Ileana Lacayo dem TV-Sender Canal 15. Offenbar habe ein Scharfschütze der Polizei den Schuss abgegeben. »Es waren nicht die jungen Menschen«, sagte sie mit Blick auf die Demonstranten. Nur die Polizisten in Bluefields seien bewaffnet gewesen.
Insgesamt sollen seit Beginn der Protestwelle 25 Menschen getötet worden sein. Weitere 67 Menschen seien bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten, Regierungsanhängern und Sicherheitskräften in den vergangenen Tagen verletzt worden, teilten das Nicaraguanische Menschenrechtszentrum und die Initiative der Menschenrechtler am Samstag mit. Andere Quellen sprechen von elf Todesopfern seit Beginn der Demonstrationen am Mittwoch.
Die Demonstrationen richten sich gegen die geplante Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um bis zu 22,5 Prozent für mehr als 700.000 Beschäftigte sowie gegen ein fünfprozentige Rentenkürzungen. Es sind die bislang heftigsten sozialen Proteste gegen die linke Regierung von Präsident Daniel Ortega. Damit soll das Millionendefizit in Nicaraguas Sozialsystem verringert werden. Der Staatschef lenkte am Samstag ein und kündigte an, mit Unternehmern und sozialen Gruppen erneut über die geplanten Reformen zu verhandeln.
In der Hauptstadt Managua lieferten sich Demonstranten nach der Rede des Staatschefs gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei. Sie errichteten Barrikaden und griffen die Einsatzkräfte mit Steinen an. Die Polizei feuerte Tränengas ab. Auch in anderen Städten des Landes dauerten die Proteste an.
Der Unternehmerverband lehnte Ortegas Gesprächsangebot ab und verlangte stattdessen ein sofortiges »Ende der polizeilichen Repression«. Im Zuge der Proteste gingen die Behörden auch gegen die Medien des Landes vor. Vier unabhängige Fernsehsender, die über die Proteste berichteten, wurden vorübergehend blockiert. Inzwischen konnten drei von ihnen wieder auf Sendung gehen. Journalisten vor Ort wurden nach eigenen Angaben angegriffen und in Gewahrsam genommen.
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte kritisierte, in der Stadt Masaya seien Demonstranten von Regierungsanhängern angegriffen worden. »Wir fordern die nicaraguanischen Behörden auf, weitere Angriffe auf Demonstranten und die Medien zu verhindern«, erklärte Sprecherin Liz Throssell. Die Menschen im Land müssten ihre Meinungs- und Versammlungsfreiheit friedlich ausüben können. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte die »gewaltsame« Reaktion der Behörden auf die Demonstrationen.
Ortega, der bereits von 1985 bis 1990 in Nicaragua regierte, kehrte 2007 an die Macht zurück. Er macht politische Gruppen, die nach seiner Ansicht aus den USA finanziert werden, für die Ausschreitungen verantwortlich. Ihr Ziel sei es, »Terror und Unsicherheit« in Nicaragua zu verbreiten. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.