Nur fünf Prozent für die Bauern
Arme Produzenten und fallende Rohstoffpreise sind Themen der Weltkakaokonferenz
Mit einer riesengroßen Schokotafel sollen 100 Kinder an diesem Montag auf die misslichen Arbeitsbedingungen von Kakaobauern in Westafrika aufmerksam machen. Die Aktivisten der Initiative »Schokofair - Stoppt Kinderarbeit« und anderer Organisationen werden zum Tagungsort der 4. Weltkakaokonferenz ziehen, einem Hotel in Berlin-Mitte. »Es ist ein Skandal, dass noch immer Millionen Kinder auf den Kakaoplantagen für unsere Schokolade schuften müssen«, beklagen die Schüler Miko Hillig und Kasimir Otto von Schokofair. Ihre Forderung: mehr Geld für die Bauern, damit Kinder nicht mehr zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen müssen und zur Schule gehen können.
Auf den ersten Blick ist dies eine Forderung, die angesichts der wenigen betroffenen Länder leicht zu erfüllen sein müsste. Für den Anbau der Pflanze kommen nur wenige Regionen entlang des Äquators infrage: Kakao benötigt fette Böden, eine Durchschnittstemperatur um die 25 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit. In der Regel werden die pfundschweren, gelb-roten Früchte gleich nach der Ernte mit Macheten aufgeschlagen. Es folgt dann eine Fermentierung. Dazu werden die weißen Samen in Bananenblättern gelagert. Während der mehrtägigen Gärungsphase müssen die Bohnen ständig gewendet werden, anschließend werden sie mehrere Tage im Freien getrocknet.
Trotz der aufwändigen Handarbeit kommen bei den Bauern nach Berechnungen von Fairhandelsorganisationen normalerweise nur um die fünf Prozent des Kaufpreises einer Schokotafel an. Den »Rest« teilen sich zu etwa gleichen Teilen Verarbeiter, Hersteller und Handel. Von ihrem Mini-Anteil müssen die Farmer zudem noch Dünger, Pestizide und Steuern bezahlen.
Im Ergebnis leben schätzungsweise fünf Millionen afrikanischer Bauern am Rande des Existenzminimums; Hilfsorganisationen meinen, sogar weit darunter. Bessere Erträge erzielen Bauern, deren Ernten von Criollo-Bäumen stammen. Auf denen wachsen besonders aromatische Früchte. Doch vier Fünftel der weltweiten Ernte wachsen auf Bäumen der billigen Standardsorte Forastero.
In vielen Anbauregionen sind zudem kleine, regionale Händler im Zwischenhandel aktiv. Über die Preise entscheiden aber Vertreter eines Dutzends multinationaler Konzerne, die oft direkt bei Bauern oder deren Genossenschaften kaufen. Der hierzulande wichtigste Einfuhr- und Lagerhafen ist Hamburg, wo jährlich bis zu 300 000 Tonnen Kakao, zwei Drittel der deutschen Importe, ankommen. Hierzulande werden die getrockneten Bohnen gereinigt, geröstet und in einem aufwändigen Verfahren zum Endprodukt verarbeitet. Über 800 000 Tonnen Schokolade im Wert von etwa fünf Milliarden Dollar wurden im vergangenen Jahr dann wieder exportiert.
Vor allem die Elfenbeinküste hat seit den 1980er Jahren kräftig auf den Anbau von Kakao gesetzt. Weltmarktanteil heute: über 40 Prozent. Nachbar Ghana liegt mit einem Weltmarktanteil von 20 Prozent auf dem zweiten Platz. Doch diese potenzielle Marktmacht wird von den »Eliten« der beiden Länder nicht genutzt. Zwar unterstützen Behörden die Bauern. »Doch das reicht nicht aus«, sagt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene, »um den Preisverfall auszugleichen.«
2016 fiel der Weltmarktpreis laut der Internationalen Kakaoorganisation (ICCO) von rund 3000 auf 2000 Dollar je Tonne. Inzwischen liegt er sogar darunter. Südwind-Experte Hütz-Adams rechnet vor, dass im vergangenen Jahr so fast fünf Milliarden Dollar aus dem Markt gezogen wurden, die vorher zumindest zu einem Teil bei den Bauern ankamen. Vor diesem Hintergrund fordert er die Konzerne auf, ihre Windfall-Profite zu nutzen, um höhere Preise an die Bauern zu zahlen.
Der Preisverfall wird auch die viertägige Weltkakaokonferenz mit dem Titel »A New Vision for the Cocoa Sector« beschäftigen, zu der 1500 Teilnehmer aus der gesamten Branche und über 60 Ländern erwartet werden. Veranstalter ist die ICCO, ein Ableger der UNO, und das Bundeslandwirtschaftsministerium. Es ist das wichtigste Treffen der Branche und bringt alle Teile der Wertschöpfungskette zusammen. Die Veranstaltung dient vor allem der Vernetzung.
Südwind fordert von den Beteiligten, »existenzsichernde Einkommen« für die Bauern sicherzustellen. Wie hoch die eigentlich sein müssten, sollen laufende Studien in der Elfenbeinküste und Ghana ergründen, deren Ergebnisse bis zum Herbst öffentlich erwartet werden.
Über die Zukunft werden auch deutsche Verbraucher mitentscheiden. So wächst die Nachfrage nach höherklassigen Schokoladen. Allerdings kommt der Edelkakao überwiegend aus Südamerika oder von der Pazifikinsel Papua-Neuguinea. Auch der Bedarf an nachhaltig(er) produziertem Kakao wächst.
Marktsignale, auf die große Lebensmittelhersteller durchaus reagieren, wie selbst Kritiker zugestehen. Nestlé, Mondelez oder Lindt setzen auf eine Zertifizierung durch Organisationen wie UTZ oder eigene »grüne« Projekte. In den Nachhaltigkeitskriterien fehlen allerdings meist auskömmliche Einkommen für die Bauern. Einen weitergehenden Ansatz verfolgt dagegen Fairafric: Schokolade, produziert im Anbauland Ghana. Zu kaufen hierzulande in den Weltläden und im Onlinehandel.
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