Mainz auf Kriegsfuß mit sich selbst

ZDF tadelt Beitrag des Autors Uli Gack über vermeintlichen Giftgasangriff in Syrien

  • Helmut Rasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Anbieter im Nachrichtengeschäft hassen es, sich zu korrigieren, denn das beschädigt die Glaubwürdigkeit, die ja die Branchenwährung ist. So besteht die Strategie bei Fehlern - und wer hätte noch keinen Bock geschossen? - darin, diese inhaltlich oder formal wegzudiskutieren, solange das juristisch möglich ist.

Ein Schulbeispiel dafür ist ein Putin-Portät, das 2015 im ZDF ausgestrahlt wurde: Als zwei profilierte Russlandjournalisten im Hausmagazin des Deutschen Journalistenverbandes nachwiesen, dass man sich dabei von einem zwielichtigen lokalen »Producer« einen falschen Augenzeugen - inklusive erfundener Ehefrau und falschem Kind für den menschlichen Faktor - der Kämpfe im Donbass hatte zuführen lassen, zog sich Mainz auf die Position zurück, technisch gesehen habe man nichts falsch gemacht: Seien doch die Aussagen des - falschen - Protagonisten richtig wiedergegeben worden!

Insofern ist es besonders erstaunlich, wie schnell und in welcher Weise der Sender sich nun von einer Recherche seines Autors Uli Gack zum gemutmaßten Giftgasangriff in den von den Regierungstruppen zurückeroberten Vororten von Damaskus distanzierte. Am Freitag hatte dieser in einer Nachrichtenschalte davon berichtet, dass ihm bei einem Besuch in einem Flüchtlingslager vielfach und »im Ton der Überzeugung« versichert wurde, dass dieser Angriff eine Inszenierung gewesen sei. Zwar betonte Gack, er könne seine »Hand« für diese Aussagen »nicht unbedingt ins Feuer legen«, doch ließ er immerhin die Möglichkeit offen, dass diese zutreffen könnten.

Was dann in Mainz geschah, wer etwa vom wem angerufen wurde und wer in welchem Büro eine Szene hinlegte, bleibt Außenstehenden wohl leider auf ewig verschlossen. Doch wusste schon am Dienstagabend der »Focus« zu berichten, dass Gacks Beitrag auf dem Lerchenberg »selbstkritisch diskutiert« worden sei. Und anders als im Fall jenes erzpeinlichen Putin-Stücks wurde diesmal nicht auf der formalen Richtigkeit beharrt - was durchaus möglich gewesen wäre, hatte Gack doch erwähnt, dass die Quellenlage vor Ort natürlich problematisch ist -, sondern eine offene inhaltliche Rüge ausgesprochen: »Die Wertung des Korrespondenten in dieser Sendung« sei »zu weit« gegangen. Gack relativierte seine Beobachtungen später denn auch weiter.

Aufmerken lässt dabei auch, wer so ungewöhnlich angepfiffen wird. Denn der Leiter des Büros in Kairo ist einer der profiliertesten Mitarbeiter des ZDF. Erst 2017 wurde er für seine Nahostberichte mit dem »Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus« ausgezeichnet, der in der TV-Welt sehr ernst genommen wird.

Der »Focus« indes, der Gack »Verschwörungstheorien« nachsagte, ist jetzt zufrieden. Vorerst werden »die meisten Experten«, die davon ausgehen, dass die Regierung tatsächlich einen Giftgasangriff durchgeführt habe, nicht weiter »irritiert«. Fast insinuiert der triumphierende Beitrag der Münchner, Faktizität solle in Mehrheitsentscheidungen ermittelt werden. Und bezüglich Syriens, das ist das Schlimme, ist das inzwischen vielleicht auch so.

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