- Politik
- Tag der Arbeit in Berlin
Aktivist*innen wollen am 1. Mai durch ein Villenviertel ziehen
Auf der Ravedemonstration soll die ungleiche Verteilung von Arm und Reich thematisiert werden
Der 1. Mai in Berlin steht für Demonstrationen, Krawalle und Saufgelage. Die Gegend rund um das Kottbusser Tor im Herzen von Kreuzberg verwandelt sich jedes Jahr pünktlich zum Tag der Arbeit in ein Viertel im Ausnahmezustand. Auch in diesem Jahr sind mehrere Demonstrationen, Kundgebungen und Konzerte geplant. Same procedure as every year, also?
Nein, nicht ganz. Denn auch außerhalb von Kreuzberg soll es in diesem Jahr »knallen«. Ein Kollektiv ruft zu einer Demonstration in einem anderen »Problembezirk« auf – in Grunewald. Der beschauliche Stadtteil am Rand von Berlin steht vor allem für eines: Geld. Dort leben die Reichen und Schönen der Hauptstadt fernab der dreckigen und lauten Innenstadtkieze. Selbst für die Berliner CDU ist die Welt in Grunewald noch in Ordnung. Warum also gerade hier demonstrieren? »Wir glauben, dass wir in andere Räume vordringen müssen und nicht nur in unseren Vierteln aktiv sein sollten«, sagt Elenos Schickhäuser-Gosse dem »nd«. Sie ist Ressortleiterin für Außenkommunikation des Quatiertsmanagments Grunewald, das sich speziell für die Demonstration gegründet hat. Außerdem ist sie Mitglied in der Hedonisitischen Internationalen, ein loses Netzwerk von linken Künstler*innen und Aktivist*innen.
In einem Aufruf heißt es, dass hunderte Streetworker*innen in Grunewald an der Umsetzung einer solidarischen Stadt mitwirken werden. Die Devise der Aktion: Kritik mit Knalleffekt und Augenzwinkern. Ist die geplante Demonstration also eine reine Spaß-Veranstaltung? Nein, meint Schickhäuser-Gosse. Es sollen reale Probleme angesprochen werden. »Die Villenviertel sind genauso Teil des Problems. Der Reichtum dort, hängt mit der Armut woanders zusammen, oder anders gesagt: sowas kommt von sowas.« Die Antwort des Kollektivs heißt daher Umverteilung.
Dass auch Grunewald ein »Problembezirk« sei, zeige sich daran, dass die Bewohner*innen weitestgehend von der politischen Meinungsbildung abgehängt seien. »Die Bewohner*innen dort entziehen sich der Gesellschaft und ihren Problemen«, meint Schickhäuser-Gosse. Zäune trennten die Bewohner*innen voneinander, ein kulturelles Leben fände praktisch nicht statt. »Parallelgesellschaft« lautet die Definition des Kollektivs. In ihrem Demonstrationsaufruf heißt es: »Dort, wo das sonnige Zerrbild der dunklen Schattenseite des Kapitalismus ihre Maibowle süffelt, wollen wir mit Lärm und Wumms und Straßendreck einfallen.« Sind also die Reichen das Problem? An manchen Stellen wirkt die Kritik stark verkürzt. Die Aktivistin Schickhäuser-Gosse verteidigt: »Wir wollen kein Reichen-Bashing betreiben, sondern mit der Demonstration unsere Kritik breiter streuen.«
Und es geht den Aktivist*innen auch um konkrete politische Forderungen. Erhöhung der Erbschaftssteuer, Einführung einer effektiven Vermögenssteuer, städtische Enteignungen – die Liste der Möglichkeiten sei lang. All dies soll am kommenden Dienstag thematisiert werden. Laut dem Kollektiv geht dies am besten mit Spaß und viel Dezibel. So soll eine Ravedemonstration am 1. Mai durch die heile Welt des Grunewaldes ziehen.
In Kreuzberg gehören Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrant*innen zum jährlichen revolutionären Ritual. Das Kollektiv will »laut und entschlossen« durch den Westberliner Speckgürtel ziehen. Aber: »Wir wollen den Bewohner*innen auf Augenhöhe begegnen und haben eher einen partizipativen Ansatz.« Konkreter heißt das: »Wir wollen den Porsche vergemeinschaften und nicht kaputt machen.«
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