Radikal im Sinne der Verfassung

Nicolas Šustr über die Enteignung von Wohnkonzernen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

Neoliberalismus genießt keinen grundgesetzlichen Schutz. Auch wenn über Jahrzehnte die Politik in Bund und Land den gegenteiligen Eindruck erwecken wollte, ist dem tatsächlich nicht so. Ganz anders sieht es mit den Zielen der Initiative gegen die Deutsche Wohnen aus. »Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt«, heißt es im Artikel 14 des Grundgesetzes.

Für viele Menschen hat der rechtsstaatlich geregelte Akt, der viele Tausend Mal pro Jahr für Verkehrsprojekte routiniert abgewickelt wird, immer noch den Geschmack der Willkür. Selbst die Bundesgrünen distanzierten sich im Bundestagswahlkampf 2017 von einem Plakat ihres Friedrichshain-Kreuzberger Kreisverbands. »Die Häuser denen, die drin wohnen«, stand auf der Pappe. Dem Bundesvorstand war das zu viel. Erstaunlich, denn schwäbischen Häuslebauern gehören in der Regel auch die vier Wände, in denen sie leben. Anscheinend glauben sie auch, ein Recht auf die mit Verdrängung erkaufte Deutsche-Wohnen-Dividende zu haben. Dass die Rendite mit der Miete noch dem im Artikel 14 geforderten »Wohle der Allgemeinheit« dient, zu dem Eigentum ebenfalls verpflichtet, lässt sich nur schwer ernsthaft begründen.

Der radikale Finanzkapitalismus erfordert radikalen Widerstand, wenn die Bürger nicht davon überrollt werden sollen. Wer könnte also dem Anliegen die Unterschrift verweigern, wenn es sich sogar auf die Verfassung berufen kann?

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