Platznot, neue Kosten, Sonderwege
NRW: Rückkehr zu G9 bringt Schulen weitere Probleme
Düsseldorf. Die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren in Nordrhein-Westfalen löst trotz breiter Zustimmung auch Sorgen aus. Kommunen, Verbände, Schulen und Eltern warnen vor Kosten in Millionenhöhe und Platznot in den Schulen. Auf breite Kritik stößt auch, dass Gymnasien bei G8 bleiben können, wenn die Schulkonferenz einen einmaligen Beschluss dazu fasst. Das geht aus den Experten-Stellungnahmen für eine Anhörung im Landtag zum G9-Gesetz der schwarz-gelben Landesregierung hervor. Noch vor der Sommerpause soll der Wechsel vom acht- auf das neunjährige Gymnasium vom Landtag beschlossen werden.
Zwei Gymnasien zusätzlich
Die Umstellung an öffentlichen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen startet laut Gesetz im Schuljahr 2019/20 mit den Klassen fünf und sechs. Städte und Kommunen rechnen schon zum Schuljahr 2023/24 mit Raumproblemen in Schulen, da dann der erste G9-Jahrgang nicht wie früher zu G8-Zeiten in die Oberstufe wechsele.
Ein Beispiel ist Düsseldorf: Räume, die durch die Einführung von G8 einst frei wurden, seien bereits durch größere Schülerjahrgänge oder durch Mensen belegt worden, erklärte Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Die Landeshauptstadt befürchtet, dass wegen der absehbaren Platznot in künftigen G9-Jahrgängen weniger Parallelklassen gebildet werden können. Seien keine Umbauten oder Erweiterungen möglich, bleibe »als letztes Mittel die Reduzierung der Zügigkeit an den Schulen«. Düsseldorf geht davon aus, dass zur Kompensation mindestens zwei neue Gymnasien erforderlich sind.
Parallele Modelle abgelehnt
Verbände, Schüler und Eltern warnen auch vor negativen Folgen, wenn einzelne Gymnasien bei G8 bleiben. Die Landeselternkonferenz fordert die Streichung aller Gesetzesregelungen, durch die ein Verbleib bei G8 möglich wäre. In größeren Städten drohten sich die Lernbedingungen vor allem bei den naturwissenschaftlichen Fächern durch ein Nebeneinander von G8 und G9 zu verschlechtern. Denn gerade in diesen MINT-Fächern kooperierten Gymnasien an einem Ort häufig. Solche Kooperationen müssten womöglich beendet werden.
Die Landesschülervertretung warnt, dass für künftige Schülergenerationen und Eltern das Nebeneinander von G8- und G9-Gymnasien »hohe Belastungen bei der Schulwahl« bedeute. Der Städtetag NRW kritisiert, dass auch nach 2020 neue G8-Gymnasien errichtet werden oder bestehende G9- in G8-Gymnasien umgewandelt werden können. Damit werde die Grundsatzentscheidung für G9 unterhöhlt.
Bis zu 4000 Lehrer zusätzlich?
G9 erfordert laut Landeselternkonferenz nicht nur mehr Platz und Material, sondern lässt auch die Schülerfahrtkosten steigen. Außerdem stiegen auch Personalkosten nicht nur bei den zusätzlich gebrauchten Lehrkräften, sondern auch beim nichtpädagogischen Personal oder bei Schulsozialarbeitern. Am Schluss werden laut Landeselternkonferenz bis zu 4000 Lehrer zusätzlich gebraucht - das allein wären Kosten in Höhe von rund 240 Millionen Euro. Es sei fraglich, ob in acht Jahren 4000 zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung stünden. Auch für Hochschulen könnte das Nebeneinander von G8 und G9 Probleme bringen - etwa durch verschieden anzulegende Einführungskurse. Ohnehin sind die Gesamtkosten noch nicht klar - diese würden derzeit geschätzt, hieß es. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.