Im Kulturschutzgebiet
Die TU Dresden zeigt ihre reichen Kunstbestände aus den 1950er Jahren
Sage einer, dass sich Ingenieure nur für Technik interessieren. Zwar enthält die Sammlung von Kunstwerken, die in den 1950er Jahren an der damaligen Technischen Hochschule Dresden zu wachsen begann, auch Grafiken und Gemälde, die Fachleute für Maschinenbau oder Materialkunde begeistern. Der Maler Jürgen Schieferdecker bannte einen urtümlichen Bagger auf Leinwand; sein Kollege Gerhard David gab Einblick in einen Tagebau; auch einer Industriebaustelle wurde in Öl festgehalten. In einer Schau im Görges-Bau der Technischen Universität, bei der die Sammlung bis 6. Juni in Ausschnitten erstmals einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt wird, finden sich aber auch Bilder vom Elbsandsteingebirge, den Dresdner Elbterrassen oder einen Rummelplatz - voll bunter Lichter, die eher an einen Traum denken lassen als an Elektrotechnik.
Die Kunstbestände der TU sind nicht nur umfangreich und vielfältig, sondern auch von imposanter Qualität. Im Jahr 1954 - der Wiederaufbau des im Februar 1945 stark zerstörten Hochschulgeländes lief auf Hochtouren - wurde ein Künstlerischer Beirat etabliert. Das von Werner Scheffel geleitete Gremium konnte ein bis zwei Prozent der Bausumme für die künstlerische Gestaltung des Campus ausgeben, in manchen Jahren bis zu 350 000 Mark. In Auftrag gegeben wurden Reliefs und Plastiken für den Außenbereich, gekauft wurden aber auch Grafiken und Gemälde für die Büros der Wissenschaftler und die Wohnheime der Studenten. Rund 1000 Werke wurden allein im ersten Jahrzehnt gesammelt, darunter Bilder namhafter Künstler wie Wilhelm Rudolf, Hermann Glöckner oder Lea Grundig. Was die 1950er Jahre anbelangt, sagt Gwendolin Kremer, die in der Kustodie der TU für die Kunst zuständig ist, »sucht unsere Sammlung in der Stadt ihresgleichen«.
Gesammelt wurde dabei nicht nur, was den Segen der offiziellen Kulturpolitik hatte. Scheffel traf »unorthodoxe Entscheidungen« und gab etwa Wandbilder bei Glöckner in Auftrag, dessen konstruktiv-abstrakte Werke wenig mit dem staatlich propagierten Realismus zu tun hatten. Auch Querner, der die rauen Landschaften des Osterzgebirges und ihre knorrigen Bewohner malte, war nicht wohl gelitten; dass die Hochschule ihm 25 Aquarelle abkaufte, sicherte auch seine Existenz. Scheffel habe versucht, die Dresdner Tradition in ihrer ganzen Breite abzubilden, sagt Kremer. Von einem »Kulturschutzgebiet« sprach einmal der Dresdner Bildhauer Helmut Heinze. »Hier wurde mit Leidenschaft gesammelt«, sagt Schieferdecker, der Mitte der 1970er Nachfolger Scheffels wurde. Der war abgesetzt worden, weil Betonreliefs an einem Wohnheim einen Parteifunktionär verärgert hatten.
Zu Schieferdeckers Zeit war das Budget für Ankäufe bereits geschrumpft. Auch in dieser Zeit aber wurde weiter gekauft, nicht zuletzt Werke junger Künstler. Insgesamt umfassen die Bestände der TU rund 4000 Werke, sagt Kremer. Es handelt sich um eine lebendige Sammlung. Die Bilder können für Büros und Tagungsräume ausgeliehen werden, wovon reger Gebrauch gemacht wird: Etwa 800 Bilder seien ständig im Umlauf, sagt Chef-Kustodin Kirsten Vincenz. Nun werden die Schätze erstmals auch einem Publikum außerhalb der Universität zugänglich gemacht. Bis 6. Juni wird die Auswahl aus den 50er Jahren gezeigt, Ende 2019 folgt ein Überblick über die nächste Dekade. Einige Werke wurden extra restauriert; eine Broschüre gibt erstmals einen Überblick über die Kunst am Bau im Universitätsgelände. Dort sind derzeit auch einige moderne Kunstwerke zu sehen, die künftig die Sammlung bereichern: Nach einer mehrjährigen Unterbrechung, freut sich Kremer, gibt es seit 2017 wieder ein Budget für Neuerwerbungen. Das »Kulturschutzgebiet« an der TU Dresden kann weiter wachsen.
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