Für Spanien ändert sich «nichts»

Nach 60 Jahren ist die Geschichte der baskischen Untergrundorganisation ETA beendet

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 5 Min.

Es sind versöhnliche Töne: Die ETA habe mit ihrer Auflösung «ihr Engagement zur Teilnahme am demokratischen Prozess» bekundet, betonte der südafrikanische Anwalt Brian Currin die Notwendigkeit zur Versöhnung. Anlass war die Friedenskonferenz im südwestfranzösischen Kanbo (Cambo-les-Bains) am Freitag. Dort wurde der Vorgang bestätigt und gewürdigt, der sich am Donnerstag abgespielt hatte: Die baskische Untergrundorganisation ETA erklärte die «Auflösung der Gesamtheit ihrer Strukturen» nach fast 60-jähriger Geschichte. Internationale Vermittler, Vertreter aller baskischen Parteien und Gewerkschaften waren genauso anwesend wie Vertreter der spanischen Linkspartei Podemos, der spanischen Gewerkschaft UGT sowie Angehörige von französischen Parteien und Gewerkschaften.

Unter den zahlreichen internationalen Teilnehmern fielen neben Jonathan Powell, ehemaliger Chefunterhändler von Tony Blair im Nordirland-Konflikt, auch der ehemalige irische Ministerpräsident Bertie Ahern und der Ex-Chef von Sinn Fein, Gerry Adams, auf. «Rache ist keine Lösung», betonte Adams mit Blick auf vier Jahrzehnte des bewaffneten Kampfes im Baskenland mit mehr als 800 Todesopfern und Tausenden Verletzten. Adams war wie die anderen Genannten schon am Friedenskongress vor sieben Jahren im baskischen Donostia (San Sebastián) beteiligt. Der hatte den Weg für den einseitigen Friedensweg der ETA bis zur Entwaffnung vor gut einem Jahr möglich gemacht.

Powell, Ahern und Adams gehörten mit dem ehemaligen französischen Innen- und Verteidigungsminister Pierre Joxe, dem früheren Chef des Internationalen Währungsfonds Michel Camdessus, der den ehemaligen UN-Präsidenten Kofi Annan vertrat, dem mexikanischen Politiker Cuauthémoc Cárdenas und dem früheren französischen Außenminister Hubert Védrine zu den sieben Persönlichkeiten, die die «Erklärung von Arnaga» unterzeichnet haben. Es kam aber der 21-jährigen Irati Agorria aus dem baskischen Gernika zu, mit dem Verlesen der Erklärung auf Baskisch zu beginnen. Sie sprach für die Vermittler von einem «historischen Augenblick für ganz Europa, da »der letzte bewaffnete Konflikt auf dem Kontinent« beendet sei.

Gewürdigt wurden die Friedensschritte der ETA, »die Wort gehalten hat«. Es habe seit der Friedenskonferenz keine Gewalt mehr gegeben und »sie wurde vollständig entwaffnet«. Es sei viel eingesetzt worden, um den Frieden zu erreichen. »Die baskische Gesellschaft, die zivilgesellschaftlichen Organisationen … haben einen enormen Einsatz gezeigt.« Kritisiert wurde, dass die am Konflikt beteiligten Staaten Spanien und Frankreich nicht einmal zu Verhandlungen über die Entwaffnung der ETA bereit waren und dies ebenfalls vor einem Jahr die Zivilgesellschaft übernehmen musste.

Mit Blick auf die Zukunft verweist die internationale Gemeinschaft darauf, dass noch Probleme zu lösen seien. Konkret werden »Gefangene und die Flüchtlinge« oder offene Wunden bei den Opfern des Konflikts benannt, denen mit einer Schweigeminute gedacht wurde. »Ein nachhaltiger Einsatz ist nötig, um zu einer völligen Normalisierung des Lebens in der Region zu kommen«, wird in der Erklärung festgestellt. Mit Blick auf verschiedene Konflikte, an deren Lösungen die Unterzeichner beteiligt waren, wird festgestellt, dass der Frieden »kein Spiel« sei, sondern »politischen Willen« erfordere.

Den lässt vor allem Spanien weiter vermissen. Frankreich hat seine Haltung inzwischen geändert, versuchte die Entwaffnung nach ersten Verhinderungsversuchen bald nicht mehr zu torpedieren und billigte sie. Auch die Gefängnispolitik wird längst verändert und baskische Gefangene in die Nähe des Baskenlands verlegt. In Spanien ist die Politik weiter von Rache bestimmt. Die großen Parteien nahmen weder am Friedenskongress noch an der Zeremonie in Kanbo teil. Der rechte Ministerpräsident Mariano Rajoy verkündete aus Madrid zudem, es werde sich »nichts« ändern. Wurde den Basken früher erklärt, ohne Gewalt könne über »alles« geredet werden, erweist sich dies seit sieben Jahren als Lüge. Es werde auch die einst versprochene »Großzügigkeit« nicht geben. Die ETA-Verbrechen würden »weiter verfolgt und verurteilt« und die Gefangenen »werden ihre Strafen weiter absitzen«. Die ETA habe keines ihrer Ziele erreicht und werde auch nach dem »Eingeständnis der Niederlage« nicht belohnt, erklärte Rajoy.

Nach der Erklärung, in der die ETA kürzlich schon die Opfer des Konflikts um »Verzeihung« gebeten und die Verantwortung für »maßloses Leid« übernommen hatte, erklärte sie am Donnerstag, dass die Auflösung nun die »logische Folge von der Entscheidung 2011 ist, den bewaffneten Kampf endgültig einzustellen«. Ein Zyklus werde abgeschlossen, eine neue historische Phase beginne. »Die ehemaligen Militanten der ETA werden den Kampf an anderen Stellen für ein wiedervereinigtes, unabhängiges, sozialistisches, baskisch-sprachiges und feministisches Baskenland eintreten, wo jeder einzelne Militante es für sinnvoll erachtet.« Die Organisation sei aus der Bevölkerung entstanden und wird sich nun in diese Bevölkerung hinein auflösen.

Die ETA erinnerte daran, dass sie gegründet wurde, als sich das Baskenland in den »Krallen der Franco-Diktatur« und eines jakobinischen französischen Zentralstaats befand. Man habe dazu beigetragen, dass es 60 Jahre später, dank des Kampfes verschiedener Generationen, ein lebendiges Baskenland gebe, das frei über seine Zukunft entscheiden will. In der Auflösungserklärung wirft die Organisation Frankreich und Spanien Angst vor einer definitiven Konfliktlösung vor. Mit Blick auf die Vorgänge in Katalonien wird erklärt, dass es auch im Baskenland nun darum gehen müsse, Kräfte zu vereinen, die Bevölkerung zu aktivieren und unter Einbindung breiter Kreise die »politische und historische Ursache« des Konflikts zu lösen. Das »Selbstbestimmungsrecht« und die »Anerkennung als Nation« seien die Schlüssel dafür.

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