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Zu krank für die Räumung

Das Ehepaar Wernicke sucht Unterstützung im Kampf um seine Wohnung

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

»Kaffee und Kuchen gegen die Zwangsräumung unserer Nachbar*innen«, steht mit Kreide auf einer großen Tafel vor dem Haus in der Manfred-von-Richthofen-Straße 10 in Tempelhof. Durch eine Kundgebung soll Lydie-Diane und Jörg Wernicke geholfen werden, denn sie sind akut von Räumung bedroht.

»Am 11. April sollten wir geräumt werden, aber das konnte wegen des Gesundheitszustandes meines Ehemanns gestoppt werden«, sagt Lydie-Diane Wernicke. Die Gerichtsvollzieherin habe ihren Mann für zu krank befunden, um die Räumung durchzuführen. »Ich leide unter einer Multiplen Sklerose«, sagt Wernicke. »Laufen kann ich nicht mehr. Das einzige, das noch funktioniert, ist mein Gehirn.« Wernicke muss aufgrund der schweren Krankheit im Rollstuhl sitzen. Das macht eine etwaige Räumung besonders heikel, denn bei Freunden unterzukommen sei schwierig, sagt Lydie-Diane Wernicke.

Ausgelöst wurde der Konflikt mit der Hausverwaltung, als Wernicke 2016 anfing, eigenständig die Miete zu mindern. Grund dafür sei die defekte Heizung gewesen, die seit 16 Jahren trotz mehrmaliger Meldung bei der Hausverwaltung nicht repariert worden sei. »Wenn die Heizung überhaupt nicht funktioniert, ist, denke ich, eine Mietkürzung gerechtfertigt«, sagt der pensionierte Arzt, der schon seit 44 Jahren in seiner Wohnung wohnt.

Die Mietminderung führte zu einer Räumungsklage der Hausverwaltung und des damaligen Hauseigentümers. Den folgenden Gerichtsprozess verlor das Ehepaar. Vor Gericht seien sie wegen der Krankheit Wernickes und Überforderung mit der Situation nicht selbst anwesend gewesen, sondern nur durch ihren Rechtsanwalt vertreten worden, sagt Lydie-Diane Wernicke. Über die Räumungsfrist habe sie nicht Bescheid gewusst, bis die Gerichtsvollzieherin sich kurz vorher meldete. »Ich habe wirklich keine Briefe erhalten, ich habe das nicht gesehen«, sagt sie. »Seit 2012 haben wir keinen Briefkasten, unsere Briefe müssen beim Nachbarn eingeschmissen werden.«

Die Hausverwaltung Anton Schmittlein Construction GmbH teilte dem »nd« auf Anfrage mit, sie könne keine Auskünfte zum Sachverhalt erteilen. Der Eigentümer, dessen Name und Kontakt von der Verwaltung nicht weitergegeben werden könne, sei aber unterrichtet worden. Eine Rückmeldung gibt es trotz mehrfacher Nachfrage bisher nicht.

Für die Wernickes heißt es nun abwarten, ob ein neuer Räumungstermin angekündigt wird. Solidarische Nachbar*innen im Haus haben die Hoffnung, dass die Zwangsräumung durch den im letzten Jahr vollzogenen Eigentümerwechsel doch noch abgewendet werden kann. »Wir sind im September 2017 über den neuen Eigentümer informiert worden«, sagt ein Bewohner des Hauses, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Wernickes allerdings erhielten nach eigenen Angaben keine Nachricht über einen Eigentümerwechsel. »Der neue Eigentümer wohnt nicht in Berlin und hat vielleicht noch gar nichts von der Räumungsklage mitbekommen«, so der Nachbar. Sollte er auch der Eigentümer der Wernicke-Wohnung sein, könnte er die Räumung verhindern. Deshalb schickten einige Parteien des Hauses einen Brief an den Eigentümer, in dem sie ihn auf die Situation aufmerksam machen und fordern, dass die Wernickes in ihrer Wohnung bleiben dürfen.

Unterstützt wird das Ehepaar auch durch »Zwangsräumung verhindern«. Aktivist*innen des Bündnisses sind bei der Kundgebung vor dem Haus dabei. »Der Fall steht repräsentativ für eine falsche Politik«, sagt Tim Riedel vom Bündnis. »Wohnraum ist ein Grundbedürfnis und darf nicht in privatwirtschaftlicher Hand sein.« Auch »Zwangsräumung verhindern« habe einen Brief an den vermeintlichen Eigentümer geschrieben. Beide Briefe blieben bisher aber unbeantwortet.

Die Kundgebung soll auch dazu beitragen, Passant*innen und vor allem Nachbar*innen für die Situation des Paares zu sensibilisieren. Etwa 50 Menschen kommen zum Treffen, zeigen Solidarität, bieten ihre Hilfe an und vernetzen sich untereinander für kommende Schritte. Lydie-Diane und Jörg Wernicke sind froh, der drohenden Zwangsräumung nicht allein entgegen blicken zu müssen.

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