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Hisbollah überflügelt Hariri

In Libanon muss Liste des Premiers bei ersten Wahlen seit 2009 starke Verluste hinnehmen

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Ortsteil Tarik El Jedideh im Zentrum von Beirut war am frühen Sonntagmorgen in die blaue Farbe der Zukunftspartei von Saad Hariri getaucht. Der Stadtteil gilt als Hochburg Hariris und tatsächlich waren die engen Straßen verstopft, vor den Parteizentren der Zukunftspartei herrschte großer Andrang. »Wir zeigen den Leuten hier, wie der Wahlvorgang vor sich geht und welche Liste sie wählen sollen, wenn sie Hariri unterstützen wollen«, erklärte einer der Helfer.

Autos stünden bereit, um die Wähler zu den Wahlzentren zu transportieren, in denen sie registriert waren. Männer und Frauen wählen im Libanon getrennt und so waren unweit der Hauptstraße von Tarik El Jedideh zwei Schulen als Wahlzentren markiert. Während das Zentrum für die Männer nur spärlich besucht war, drängelten sich zwei Straßen weiter die Frauen, Jung und Alt, um ihre Stimmen abzugeben. Vor der Schule stand eine Gruppe wartender Männer von denen einer auf Nachfrage erklärte, er warte auf seine Frau, die in der Schule sei, um zu wählen. Er werde anschließend wählen, meinte er weiter und fügte schmunzelnd hinzu: »Ladies first«.

Parlamentswahlen in Libanon

Bei den Parlamentswahlen im Libanon waren mehr als 3,7 Wahlberechtigte registriert, darunter 82 000 im Ausland lebende Libanesen. Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht im Libanon liegt bei 21 Jahren. Um einen der 128 Sitze im Parlament zu erringen waren 583 Kandidaten angetreten, darunter 86 Frauen. Eine Quote, die den Frauen 30 Prozent der Parlamentssitze sichern sollte, hatte im Vorfeld der Wahlen keine Parlamentsmehrheit gefunden.

Dagegen gilt weiterhin die von der französischen Mandatsmacht 1926 eingeführte Quote, wonach 50 Prozent der Parlamentssitze Christen und 50 Prozent sunnitischen und schiitischen Muslimen vorbehalten sind. Die konfessionelle Spaltung des Landes bleibt trotz des neuen Verhältniswahlrechts weiter in Kraft. kal

Bis zum Nachmittag hatten in den beiden Bezirken von Beirut (I, II) knapp 25 Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Politiker zeigten sich besorgt über die geringe Wahlbeteiligung und appellierten an die Bevölkerung, wählen zu gehen. Präsident Michel Aoun erklärte, wer einen politischen Wandel wolle, »muss sein Wahlrecht wahrnehmen«.

Geschäftig aber ruhig ging es auch in den anderen Wahlkreisen von Beirut II, wie Ras al Nabr, Bashoura oder Mar Elias, zu. In Hret Hreik, einem der südlichen Vororte von Beirut (Dakhye), der bei dem Krieg 2006 von der israelischen Luftwaffe in weiten Teilen dem Erdboden gleichgemacht worden war, waren für Christen und Muslime zwei verschiedene Wahlzentren ausgewiesen. Um das eine Wahlzentrum waren vor allem die gelben Fahnen der Hisbollah und die grünen Fahnen der Amal zu sehen, die im Bündnis auf einer gemeinsamen Liste »Treue und Hoffnung« angetreten waren.

Verschiedene Personen boten der Autorin in gutem Deutsch ihre Unterstützung an. Der eine hatte in Hamburg, der andere in Hanau, der dritte in Mühlheim gelebt, alle unterstützten die Hisbollah-Liste. »Ich zeige Ihnen den Weg zu dem Wahlzentrum für die Christen«, bot einer der Männer an und rückte seine gelbe Hisbollah-Kappe auf dem Kopf zurecht. Kurz vor dem Eingang aber entschuldigte er sich und kehrte um: »Heute habe ich dort keinen Zutritt, aber Sie werden dort andere Hilfe finden.«

Vor dem Wahlzentrum für die Christen dominierte das Orange der Freien Patriotischen Bewegung (FPM), die mit Michel Aoun aktuell den Libanesischen Präsidenten stellt. Als Kandidat war sein Sohn angetreten, ein häufiges Phänomen in der politischen Elite des Landes, die von alt eingesessenen Familien, Geschäftsleuten und Millionären dominiert wird.

Aida, eine junge Geschäftsfrau zeigte sich begeistert von der Anwesenheit einer ausländischen Korrespondentin bei den Wahlen: »Wir zeigen mit diesen Wahlen, dass wir ein demokratisches Land sind« sagte sie. Sie wolle ihrer politischen Führung vor allem deutlich machen, dass sie sie unterstütze, fügte sie hinzu ohne zu sagen, welcher der Listen sie ihre Stimme gegeben hatte. Das neue Wahlrecht sei noch etwas verwirrend, aber insgesamt werde das Ergebnis gut werden, zeigte sie sich überzeugt.

»Nichts wird sich ändern«, meinte dagegen Toni, der in seinem Dorf nördlich von Beirut zur Wahl ging. »Die gleichen Namen, die gleichen Familien wollen den Libanon jetzt schon in der dritten Generation regieren.« Nichts gäbe es für die einfache Bevölkerung, für Arbeiter wie ihn. »Krankenhaus, Schulen, Universitäten - alles müssen wir selber bezahlen. Ein Staat, der sich um die Bevölkerung kümmert, existiert hier nicht.«

Als pünktlich um 19 Uhr am Sonntagabend die Türen der 6793 Wahlzentren in den 15 Wahldistrikten Libanons schlossen, hatten noch nicht alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das Innenministerium ordnete daraufhin eine Verlängerung von zwei Stunden an. Erst dann begann die Auszählung. Am Montag lagen bis zum Redaktionsschluss noch keine offiziellen Ergebnisse vor.

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