- Politik
- Oberbürgermeisterwahl in Freiburg
Die Arroganz des Amtsinhabers
Freiburgs grüner Langzeitoberbürgermeister Dieter Salomon hat sein Amt an einen Politneuling verloren
Selten zuvor hat Freiburg im Breisgau einen langweiligeren Oberbürgermeisterwahlkampf erlebt. Vor gut zwei Wochen schien alles entschieden zu sein, der Wahlakt nur noch eine Formalität. Der seit 16 Jahren amtierende Rathauschef Dieter Salomon (57) von den Grünen schien einem ungefährdeten Sieg bereits im ersten Durchgang entgegenzusehen. Selbst in der Politischen Fakultät der Freiburger Universität mochte man beim besten Willen »keine Wechselstimmung« feststellen. Doch dann wurde es doch spannend. Der Neu-Freiburger Martin Horn, 33 Jahre alt und parteilos, erreichte an jenem Abend mit 34,7 Prozent der abgegebenen Stimmen fast dreieinhalb Prozentpunkte mehr als der Amtsinhaber. Selbst die für ein breites Linksbündnis antretende Monika Stein landete mit 26,2 Prozent nur knapp hinter dem haushohen Favoriten.
Im entscheidenden zweiten Durchgang am Sonntag, bei dem eine einfache Mehrheit für den Sieg ausreichte, konnte der Sozialwissenschaftler aus Sindelfingen, der von der SPD, FDP, der Kulturliste und dem Verein Freiburg Lebenswert Unterstützung erfährt, sein Ergebnis aus dem ersten Durchgang um fast zehn Prozentpunkte auf 44,2 Prozent verbessern. Salomon, der seine Niederlage im ersten Durchgang noch in gewohnt arroganter Art als »Schuss vor den Bug« und »Denkzettelwahl« schön zu reden versuchte, verlor erneut leicht. Er kam auf nur noch 30,7 Prozent und konnte nur noch wenige Bezirke für sich entscheiden. Auch die ländlichen Bereiche gewann er nicht mehr. Monika Stein, deren Wahlkampf vor dem zweiten Durchgang von dem tragischen Tod ihrer Mutter überschattet wurde und die daraufhin alle geplanten Diskussionsveranstaltungen absagte, konnte ihr Ergebnis vom 22. April fast halten und erreichte 24,1 Prozent. Der vor acht Jahren für die Linken ins Rennen gegangene Günter Rausch, der diesmal überraschenderweise für Martin Horn die Werbetrommel rührte, kam damals lediglich auf 20,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 51,7 Prozent um 0,7 Prozentpunkte höher als beim ersten Wahlgang.
Wie nah Euphorie und Entsetzen beieinander liegen, bekam der Überraschungssieger bereits auf seiner Wahlparty zu spüren. Ein offensichtlich geistig verwirrter 54-jähriger Mann aus der Region südlich von Freiburg reihte sich in die Schlange der Gratulanten ein, um dem Wahlsieger dann mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Horn wurde in die Universitätsklinik gebracht und musste medizinisch behandelt werden. Die Untersuchung ergab einen ausgeschlagenen Zahn und eine gebrochene Nase. Er kehrte aber anschließend auf »seine« Wahlparty zurück, um weiter zu feiern. »Ich bin erleichtert darüber, dass es kein Angriff aus politischen Gründen war«, erklärte Horn. Die Polizei konnte den Mann festnehmen.
Vor dem Angriff ließ sich der Sieger auf dem Rathausplatz feiern: »Ich bin hoch motiviert, die Probleme der Stadt zu lösen«, sagte er in die ihn umgebenden Mikrofone. Auch bei einem vollen Terminkalender wolle er jeden Monat einmal im Stadtteil präsent sein. Er habe kein Parteibuch und wolle Brücken schlagen. Das gelte auch im Gemeinderat.
Obwohl Salomon nach dem ersten Wahlgang bekannte Parteikollegen wie Claudia Roth, Cem Özdemir und Ministerpräsident Kretschmann darum gebeten hatte, vor Ort für einen Stimmungsumschwung zu sorgen, verlor der sogenannte König von Freiburg weiter an Boden. Die sich im Laufe seiner Amtszeit immer weiter verschärfenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt führten ganz offensichtlich zu einer Unzufriedenheit mit dem Amtsinhaber. Für viele Menschen in Freiburg - mit rund 230 000 Einwohnern immerhin die viertgrößte Stadt im Land - sind Mieten kaum noch bezahlbar. In der Stadt besteht Wohnungsnot. In fast allen Stadtteilen gibt es mehr Nachfrage als Wohnungen. Salomon weigerte sich offenbar, diese Probleme zur Kenntnis zu nehmen.
Er gilt als Prototyp des konservativen südwestdeutschen Grünen. Angesichts dessen war es auch nicht verwunderlich, dass die CDU, die keinen eigenen Bewerber ins Rennen geschickt hatte, Salomon im zweiten Wahlgang unterstützt hatte. Für den Stuttgarter Regierungschef Winfried Kretschmann könnte die Wahlniederlage seines Parteifreunds ein Warnsignal sein, dass der bürgerlich-konservative Kurs seiner Grünen im Ländle bei vielen Menschen nicht mehr gut ankommt.
Für Monika Stein fiel das Fazit hingegen sehr positiv aus: »Dass wir das Ergebnis halten konnten, ist genial«, bemerkt sie gegenüber der »Badischen Zeitung«. Sie fügt hinzu, »mit dem neuen OB werde man zusammenarbeiten«. Freiburg wollte den Wechsel. Und ihr Wahlkampfmanager Gregor Mohlberg (LINKE) ergänzte: »Mit diesem Ergebnis haben wir eine gute Grundlage für die Kommunalwahl im nächsten Jahr gelegt.«
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