- Politik
- Regierungsbildung gescheitert
Italien steuert auf Neuwahl zu
Koalitionsgespräche zwischen Fünf-Sterne-Bewegung und Lega gescheitert / Staatspräsident schlägt »neutrale« Regierung vor
Rom. Italien steuert nach einem Debakel bei der Suche nach einer Regierung auf eine baldige Neuwahl des Parlaments zu. Staatspräsident Sergio Mattarella sprach sich am Montag für eine »neutrale« Regierung aus, die bis Dezember im Amt bleiben und das Land zu einer Neuwahl führen könne. Jedoch wehrten sich sogleich die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, die beim Urnengang am 4. März die stärkste Einzelpartei geworden war, und die rassistische Lega gegen solch eine Option.
»Kein Vertrauen für eine neutrale Regierung, Synonym für eine Technokratenregierung. Man muss im Juli wählen«, erklärte Sterne-Chef Luigi Di Maio auf Twitter. Sowohl er als auch Lega-Chef Matteo Salvini hatten den 8. Juli als möglichen neuen Wahltermin ins Spiel gebracht. »Mattarella will eine neutrale Regierung? Um Gottes Willen, wir brauchen eine mutige Regierung, bestimmt und frei, die in Europa das Prinzip ‘Italiener zuerst’ verteidigt«, twitterte Salvini.
Bei der Parlamentswahl hatte die Mitte-Rechts-Allianz aus Lega und Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi als Bündnis die meisten Stimmen bekommen, jedoch nicht genug zum Regieren. Auch bei den Sternen reicht es nicht für eine Mehrheit. Seitdem streiten die Parteien, wer an die Macht kommt.
Mattarella drückte nun aufs Tempo. »Wir können nicht länger warten«, sagte der Präsident nach der mittlerweile dritten Runde der Regierungskonsultationen. Wenn die Parteien mehr Zeit für ihre internen Verhandlungen bräuchten, sollten sie in der Zwischenzeit die Bildung einer neutralen Regierung mittels eines Vertrauensvotums ermöglichen.
Die Idee ist, dass eine Person, die keiner Partei nahe steht (daher neutral), vorübergehend die Amtsgeschäfte übernimmt. Eine Regierung unter dieser Führung müsste vom Parlament abgesegnet werden und könnte bis Dezember im Amt bleiben. Wichtig ist dabei vor allem die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes, die bis Ende des Jahres durch sein muss.
Im Juni steht ein wichtiger EU-Gipfel in Brüssel an, bei dem es unter anderem um Migration und Reformen in der Eurozone gehen soll. Italien ist hoch verschuldet, die Sorge besteht, dass es auf den Finanzmärkten zu Unruhe kommen könnte.
Die Sozialdemokraten (PD), die bei der Wahl als große Verlierer hervorgegangen waren, wollen eine von Mattarella vorgeschlagene Übergangsregierung unterstützen. Auch Pietro Grasso, Spitzenkandidat von Sinistra Italiana (Italiens Linke) und vormaliger Parlamentspräsident, unterstützt das Ansinnen von Mattarella, keine rasche Neuwahl abzuhalten. Die Situation sei schwierig, auch aufgrund des zuletzt geänderten Wahlrechts. »Es ist die Demonstration des Scheiterns eines schlechten Wahlgesetzes und einer politischen Klasse, die nur in der Lage ist, Wahlkampf zu machen und nicht die Verantwortung zu übernehmen, die sich aus den Wahlergebnissen ergibt«, schrieb Grasso auf Twitter.
Käme es jetzt nicht zu einer Regierungsbildung, wäre dies »das erste Mal, dass das Votum des Volkes nicht genutzt wird«, sagte Mattarella. Als äußerste Notlösung schloss der Präsident aber auch eine frühere Neuwahl im Sommer oder Herbst nicht aus. Vor Juni könnte eine Neuwahl aber keinesfalls stattfinden - und im Hochsommer habe Italien noch nie gewählt, sagte er. Die Befürchtung bei einer raschen Neuwahl ist jedoch, dass auch dann ein ebenso uneindeutiges Ergebnis herauskommt. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.