Asiens neue multipolare Welt

Im Schatten der sich verbessernden Beziehungen in Nordostasien gibt es auch Bewegung in anderen jahrzehntealten Konfliktherden

  • Werner Birnstiel, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Chinas Führung ertragreicher als im Frühjahr 2018 hätten außenpolitische Entwicklungen in Ost-, Südost- und Südasien kaum verlaufen können. Allem voran die Bewegung zwischen Nord- und Südkorea in Richtung Abschluss eines Friedensvertrages und einer atomwaffenfreien Koreanischen Halbinsel.

Aber es gibt noch mehr: Im Nachhinein wurde in Pekings Medien das »informelle Treffen« Xi Jinpings mit Indiens Premierminister Narendra Modi am 28. April breit gewürdigt. Das Treffen hatte eine herausragender Bedeutung: In Folge einer 72-tägigen Konfrontation ab Juni 2017, die auf der Himalaya-Hochebene von Doklam im Dreiländereck China/Indien/Bhutan an der Schwelle zur militärischen Auseinandersetzung stand, waren die Beziehungen auf den niedrigsten Stand seit dem chinesisch - indischen Grenzkrieg von 1962 abgerutscht. Das Resultat: tief sitzendes Misstrauen auf beiden Seiten. Verstärkend kommt hinzu, dass Indien in den vergangenen Jahren zunehmend enger mit den USA und Japan kooperierte, um China einzukreisen, und zugleich Länder Südostasiens oder Südasiens wie Sri Lanka drängte, die chinesische »Maritime Seidenstraßen«-Initiative zurückweisen.

Nach dem Treffen konzentriert man sich darauf, dass Streitigkeiten nicht aus dem Ruder laufen dürfen. Und Peking plädiert dafür, den indisch-pakistanischen Konflikt um Kaschmir friedlich zu lösen. Ebenso wird betont, dass der Aufbau des Wirtschaftskorridors China-Pakistan nicht Chinas Neutralität gegenüber den Kontrahenten aufhebt. Außer Frage steht auch, dass Indien als Großmacht respektiert wird, national aber schwach dasteht. Denn von seiner weiter wachsenden 1,3-Milliarden-Bevölkerung leben 400 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. So ist Chinas Reform- und Entwicklungskurs auch für Delhi beachtenswert, zumal China wirtschaftlich inzwischen jährlich das 4,2-fache Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zu Indien erzielt.

In etlichen Entwicklungsfragen vergleichbar ist die Situation in Staaten des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) - seit Sonntag weilt Chinas Ministerpräsident Li Keqiang zur Staatsvisite in Indonesien. Zunehmend intensivere Wirtschaftsbeziehungen sind das Fundament der politischen Beziehungen. China ist Indonesiens größter Handelspartner mit 63,3 Milliarden Dollar im Jahr 2017, ein Anstieg von 18,3 Prozent im Vorjahresvergleich. China investierte 2017 für 3,4 Milliarden Dollar und wird die Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke Jakarta - Bandung bauen.

Seit 15 Jahren funktioniert mittlerweile die strategische Partnerschaft China - ASEAN, und insgesamt gelang es, Vertrauen aufzubauen, vor allem über den Ausbau des multilateralen Handelssystems und die Investitionsförderung. China drängt nun auf eine »Umfassende Regionale Ökonomische Partnerschaft« mit dem Fernziel Aufbau einer »Ostasiatischen Ökonomischen Gemeinschaft« als Teil der »Maritimen Seidenstraße«.

Und Japan? Li Keqiang wird von Indonesien aus zum Dreiergipfel China - Japan - Südkorea nach Tokio reisen. Im Mittelpunkt die Koreafrage, zugleich geht es um Weiterführendes. Nach Jahren der Verstimmung bis hin zur politischen Konfrontation bekundet Premierminister Abe nun, den 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Friedens- und Freundschaftsvertrages Japan - China im Oktober für die »entschiedene Verbesserung« der bilateralen Beziehungen zu nutzen. Bemerkenswert ist, dass er in diesem Zusammenhang die Seidenstraßen-Initiative inzwischen als Chance zur »Erholung und Entwicklung der regionalen Wirtschaft« wertet und dass die Wirtschaftsbeziehungen entsprechend den WTO- Regeln entwickelt werden sollen. Das ändert nichts an Japans enger Bindung an die USA, Widersprüche mit China bleiben. Deutlich wird aber, dass Japan weder die Eindämmungsstrategie der Obama-Administration gegenüber China fortsetzen, noch die schwer kalkulierbare Politik Donald Trumps vorbehaltlos mitragen wird.

Bleibt China - Russland: Noch nie waren die Beziehungen besser als heute.

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