- Politik
- US-Botschaft in Jerusalem
Trumps Friedensbotschaft
Wie angekündigt verlegt die US-Regierung ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem
Die Straßen waren mit israelischen und US-amerikanischen Flaggen geschmückt; nagelneue Schilder wiesen den gut 800 geladenen Gästen am Montagnachmittag den Weg zur US-amerikanischen Botschaft im Stadtzentrum von West-Jerusalem. Unter ihnen: Präsidententochter Ivanka Trump, Jared Kushner, der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump und Jason Greenblatt, Trumps Nahost-Gesandter - aber vor allem ein überglücklicher Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die Zeit vor dem Empfang verbrachte Netanjahu damit, über Twitter und Facebook die Verlegung der US-Botschaft als Akt der internationalen Anerkennung des gesamten Jerusalems als Hauptstadt Israels zu feiern, während Jason Greenblatt immer wieder der Presse erklärte, die Verlegung der Botschaft sei »ein notwendiger Schritt auf dem Weg zum Frieden in der Region«.
Nur: Die Ereignisse am Montag sprechen eine ganz andere Sprache. Im Gazastreifen protestierten Schätzungen des israelischen Militärs und des palästinensischen Roten Halbmondes zufolge zwischen 40 000 und 50 000 Menschen am von Israel gebauten Grenzzaun. Israelische Soldaten schossen bei den Massenprotesten auf Personen, die versuchten, sich dem Grenzzaun zu nähern. Mehr als zwei Dutzend Menschen wurden getötet. Der offizielle Anlass für die Proteste war der Nakba-Tag, der Jahrestag der Staatsgründung Israels aus palästinensischer Sicht. Doch aufgestachelt wurde die Lage durch die offiziellen Feierlichkeiten zur Verlegung der US-Botschaft.
Zwar ist das, was ab sofort als US-Botschaft bezeichnet wird, weit davon entfernt, in absehbarer Zeit eine komplette Botschaft zu sein. Man hat dem US-Botschafter David Friedman ein edles Büro im bisherigen Konsulat gebaut und ein bisschen zusätzlichen Büroraum geschaffen. Doch der größte Teil des mehrere hundert Mitarbeiter umfassenden Personals wird weiterhin in einem sehr grauen, sehr großen Betonklotz direkt am Strand von Tel Aviv arbeiten.
»Aus unserer Sicht ist aber schon allein dies, und das auch noch an einem solchen Tag, ein Schlag ins Gesicht«, sagt der palästinensische Ministerpräsident Rami Hamdallah. »Das Weiße Haus versucht, uns vor vollendete Tatsachen zu stellen.« Gleichzeitig hat man aber dadurch auch die palästinensische Regierung in Ramallah in eine ausgesprochen schwierige innenpolitische Situation gebracht. Die mit ihr verfeindete, den Gazastreifen kontrollierende Hamas nutzte die Botschaftsverlegung in den vergangenen Tagen für direkte Angriffe gegen die international anerkannte Regierung von Präsident Mahmud Abbas: »Abbas und Hamdallah haben Al Quds aufgegeben«, so Jahya Sinwar, der Anführer der Hamas in Gaza in einer Fernsehansprache. »100 000 patriotische Palästinenser« würden am Nakba-Tag »ein Machtwort« sprechen. Mehrere Kontakte im Gazastreifen berichteten indes unabhängig voneinander, lokale Funktionäre der Hamas hätten jeder Familie, die an den Protesten teilnimmt, 100 US-Dollar versprochen; für jeden Angehörigen, der getötet werde, seien 1000 US-Dollar zugesagt worden.
Auch den Aussagen von Israels Inlandsgeheimdienst Schin Beth sowie der offiziellen palästinensischen Polizei und der Vereinten Nationen zufolge hat es solche Geldversprechen gegeben. Der Schin Beth teilte in einer Stellungnahme mit, man gehe davon aus, dass Iran die Hamas, nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump, nun verstärkt mit Geld ausstatte, um die Proteste weiter anzuheizen; eine Möglichkeit dies zu prüfen, gibt es nicht.
Am Montagnachmittag kündigte Jared Kushner an, Trump werde demnächst seinen Friedensplan für den Nahen Osten vorlegen: »Palästinenser und Israelis werden sehen, dass sie mehr bekommen, als sie geben.« Doch vor allem auf seiten der Abbas-Regierung sind die Erwartungen, so der palästinensische Ministerpräsident Hamdallah, »sehr, sehr gering«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.