Italien bekommt eine Rechtsregierung

Präsident Mattarella hat den Professor Giuseppe Conte mit der Regierungsbildung beauftragt

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Kurze Zeit schien es, als könnte das Rätselraten, ob Giuseppe Conte tatsächlich in New York studiert oder nur einen Sprachkurs besucht hat, eine Inthronisierung verhindern. Doch dann entschied Staatspräsident Sergio Mattarella, den Vorschlag der beiden Koalitionsparteien M5S und Lega anzunehmen. Der Rechtsprofessor aus Florenz ist nun designierter Regierungschef und soll bis zum Wochenende die Riege seiner Minister präsentieren.

Man kann getrost annehmen, dass Mattarella sich nicht leichten Herzens zu dem Schritt durchgerungen hat, doch Conte hatte zunächst ihm, dann der Öffentlichkeit zugesichert, Verfassung und Gesetze zu achten und vor allem sämtliche internationalen Verträge einschließlich der Beziehungen zur EU zu respektieren.

Wie dies in der Regierungsarbeit umgesetzt wird, muss sich erst noch erweisen. Verschiedene Signale, die die an der Regierung beteiligten Parteien aussandten, deuten auf eine stärkere Konzentration auf nationale Interessen und eine mögliche Abkehr von Brüssel hin. Die Reaktion der EU ist deutlich: Italien stehe weiter unter Beobachtung und man erwarte bald ein Stabilitätsprogramm, hieß es aus Brüssel. Dies dürfte auf sich warten lassen, denn die Wahlversprechen von generellem Grundeinkommen und Steuersenkung würden eher eine höhere Staatsverschuldung bedeuten.

Einige Ministerposten sind noch offen. So wird von Seiten der Lega die Anwältin Giulia Bongiorno für das Justizamt vorgeschlagen. Die Strafverteidigerin saß für die postfaschistische Alleanza Nazionale im Parlament. Ihr Gegenkandidat ist Alfonso Bonafede von der Fünf-Sterne-Bewegung.

Ziemlich klar scheint die Besetzung des Außenamts, hier soll der Karrierediplomat Giampiero Massolo den Vorsitz führen. Die beiden Parteispitzen Luigi Di Maio und Matteo Salvini bekleiden ebenfalls wichtige Kabinettssitze. Während Ersterer sich sozialen Aufgaben verschreibt, will der Lega-Chef als Innenminister für »Recht und Ordnung« sorgen. Ohnehin vermutet man hierzulande, dass die beiden Politiker die eigentlichen Fäden in der Hand behalten werden. Conte nahm weder an den Koalitionsverhandlungen, noch an denen über die Kabinettsliste teil. Die Presse spricht bereits vom »Presidente telecomandanta« - vom ferngesteuerten Premier.

Die neue Regierung verfügt über die erforderlichen Mehrheiten in den Parlamentskammern. Ob sich die Koalition in der Realität als lebensfähig erweist, muss sich zeigen. Zwar gibt es jetzt Beifall von Protestwählern, die den alten Parteien nicht mehr zutrauten, die Probleme des Landes zu lösen. Doch ist die eher chaotisch ausgerichtete und mit einem starken linken Flügel versehene Fünf-Sterne-Bewegung diametral anders als die rechte, disziplinierte - bis hin zum paramilitärisch Organisierten - Lega.

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