• Berlin
  • Demo für bessere Kinderbetreuung

Eltern fordern Ende der Kita-Krise

Tausende demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt für Erzieherinnen

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Vorplatz des Bahnhofs Friedrichstraße ist voller Menschen, ein Ende der Menge nicht zu sehen. 3500 Teilnehmende haben die Veranstalter*innen der Demonstration gezählt, darunter sind auffällig viele Kinder und Kinderwagen. Überall gibt es Luftballons, selbstgebastelte Schilder verweisen auf den Anlass: »Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen«, »Eigentumswohnungen können keine Kinder betreuen« oder »Sollen wir uns die Knete basteln?!« - Erzieher*innen und Eltern gehen auf die Straße für einen Weg aus der Kita-Krise.

»Es geht ums Überleben«, sagt Demo-Mitorganisatorin Anna Isakovic. Ohne Kitaplatz sei es nicht möglich, als Elternteil den Job weiterzumachen, ohne Arbeit sei die Miete nicht zu bezahlen, die Kette lasse sich fortführen. Obwohl Deutschland eines der reichsten Länder sei, investiere es im Vergleich am wenigsten in die Bildung. »Das fängt an bei Hebammen und geht bis zur Schule weiter«, sagt Isakovic und nennt es das »Kaputtsparen einer ganzen Generation«.

Um die Kita-Krise zu überwinden, fordern die Veranstalter*innen der Demonstration bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen für Erzieher*innen. Eines ergänzt das andere, wie in zahlreichen Wortbeiträgen während der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor deutlich wird: Schlechte Bezahlung führe zu Personalmangel, dieser zu überlasteten Erzieher*innen, die daraus entstehenden Arbeitsbedingungen seien wiederum nicht attraktiv. Leidtragende sind die Kinder, denen keine angemessene Betreuung zukommt, Eltern, die schon in der frühen Schwangerschaft nach Kitaplätzen suchen müssen und gegebenenfalls auf Einkommen verzichten müssen, sollten sie nicht schnell genug einen Platz finden, und die Erzieher*innen, die unter dem Fachkräftemangel leiden.

Die tausenden Demonstrierenden setzen ein starkes Zeichen an die Politik, damit sie Lösungen findet. »Wir haben die Schnauze voll, weil wir zu schlecht bezahlt werden«, sagt GEW-Landesvorsitzende Doreen Siebernik. Sie ist selbst Erzieherin und fordert: »Her mit der Aufwertung, her mit dem Entgelt!«

Erzieher Carlo Lapadula sieht in der Bezahlung nicht das Hauptproblem. »Es braucht vor allem einen besseren Betreuungsschlüssel«, sagt er. Dieser werde nach Anzahl der Kinder und täglicher Betreuungszeit berechnet. »Der Schlüssel ist schon eng berechnet, wenn alle da sind«, so Lapadula. Sollten Erzieher*innen aber zum Beispiel durch Krankheit ausfallen, sei eine angemessene Betreuung kaum zu schaffen. »Begleitung statt nur Aufsicht« ist laut Lapadula das, was Erzieher*innen leisten sollen.

Lapadula und seine Partnerin Lena Mischke erwarten ihr erstes Kind und sind daher auch aus Elternperspektive betroffen. »Wir haben uns dazu entschieden, unser Kind erst mit zwei Jahren in eine Kita zu geben«, sagt Mischke. Grund dafür sei auch die ungenügende Betreuungssituation. Trotzdem müsse man schon jetzt nach einem Kitaplatz suchen. »Verhältnismäßig haben wir es aber noch leicht, einen Platz zu finden.« Mischke bezieht sich auf den guten Bildungshintergrund der beiden, welcher es den beiden leichter mache, bei den Einrichtungen einen guten Eindruck zu hinterlassen. Eltern aus anderen Verhältnissen fiele es deutlich schwerer, bei der Vorstellung in den Kitas zu punkten. »Dadurch wird eine Bildungsungerechtigkeit fortgesetzt«, so Mischke.

Außerdem führe der Platzmangel dazu, dass Eltern gegeneinander ausgespielt werden, sagt Lapadula. So wählten Kitas die Kinder auch danach aus, wie sie sich am besten in den Betreungsschlüssel einfügen lassen. Kinder mit Förderstatus zählten zum Beispiel mehr, weil sie mehr Betreuung benötigten. Solange die Familien in Konkurrenz um die Plätze stehen, könne eine solche Berechnung zu Missmut untereinander führen. Darüber hinaus erschwere die Kitasuche die Zusammenarbeit zwischen der Einrichtung und den Eltern. »Im Idealfall können die Eltern die Kita nach ihren Interessen und Bedürfnissen aussuchen«, so Lapadula. Aber da es so schwierig sei, überhaupt einen Platz zu bekommen, würde jeder Platz auch angenommen. Ob die Kita die Interessen der Eltern teilt, sei dementsprechend nebensächlich. Das könne keine gute Grundlage sein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.