Das andere linke Griechenland

Autonome diskutierten bei einem Athener Festival über Strategien gegen faschistische Gruppen

  • Philip Blees, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.

Jedes Jahr lädt das griechische Magazin »Babylonia« zu seinem »B-Fest« nach Athen ein. Das Festival versprach Ende Mai nun zum siebten Mal Gegenkultur und politische Analyse in Zeiten der nicht enden wollenden Krise. Und das Angebot mit Musik, Kino und politischer Diskussion fand durchaus Zuspruch. Rund zweitausend Interessierte kamen in die Athener Kunsthochschule, um mitzudiskutieren. Der Tenor: Die von der Linkspartei SYRIZA geführte Regierung hat viele linke und vor allem linksradikale Kräfte enttäuscht. Viele wünschen sich statt der selbst ernannten Bewegungspartei von Premierminister Alexis Tsipras eine richtige Bewegung.

Diese Forderung stand schon vor Beginn der Wirtschaftskrise im Raum. Bereits im Jahr 2002 formierte sich die sogenannte »Antiautoritäre Bewegung« (im Griechischen »AK« abgekürzt). Diese Organisation hat einen autonomen Hintergrund und versucht, diesen mit Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse populär zu machen. Sie grenzt sich nicht von anarchistischen Kleinstgruppen ab, will jedoch mit einer »post-autonomen« Strategie den gesellschaftlichen Diskurs ins Auge nehmen. Sie ist eng mit dem »Babylonia«-Magazin verbunden, welches oft als Medium dient. International ist AK im Projekt »Beyond Europe« aktiv, in dem auch das kommunistische »Ums Ganze«-Bündnis aus Deutschland vertreten ist.

Die Autonomen beschäftigen sich momentan unter anderem mit dem laufenden Gerichtsverfahren gegen die »Goldene Morgenröte«. Der neonazistischen Partei wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Davon berichtet Kostas Savvopoulos, Mitglied der AK und Redakteur von »Babylonia«, dem »nd« während des Festivals. Explizit gehe es um mehrere Straftaten, in welche die Partei involviert sein soll, erklärt Savvopoulos. Dazu zählt der Mord an Pavlos Fyssas. Der antifaschistische Rapper, der unter dem Namen »Killah P« bekannt war, wurde im September 2013 von einem Parteimitglied erschossen. Der Fall erregte im ganzen Land Aufsehen. Es kam zu Protesten gegen die Faschisten mit mehreren Zehntausenden Teilnehmern.

Im Prozess gegen die Partei müsse nun bewiesen werden, dass die begangenen Straftaten nicht nur von Einzelnen ausgeführt wurden, sondern System innerhalb der neonazistischen Organisation haben. Nach der Einschätzung des »Babylonia«-Redakteurs Savvopoulos steht es darum nicht schlecht. Das Verfahren könnte erfolgreich für die Antifaschisten verlaufen.

Vom Staat werden die Anwälte, Aktivisten und Familienangehörigen des Rappers allerdings nur in der Öffentlichkeit unterstützt, meint Savvopoulos. Den Großteil der Arbeit müssten die Ankläger selber erledigen. Ohne sie würde es keine Initiative auf juristischer Ebene gegen die Neonazis geben. Dennoch zeigen sich auch schon Erfolge der staatlichen Repression. Aus Angst schließen viele Parteibüros.

»Das Problem ist jedoch größer«, sagt Savvopoulos. Immer wieder gelingt es Faschisten, in Zusammenarbeit mit Konservativen einen Diskurs zu schaffen, der ihnen Zulauf bringt. Das galt auch dieses Jahr für die breit geführte Diskussion um den Namen Mazedoniens. Rechte Kräfte versuchen, diesen für sich zu vereinnahmen, und wollen aus einer nationalistischen Perspektive die frühere jugoslawische Teilrepublik nicht als eigenen Staat akzeptieren. Ihr Ziel ist ein »großgriechisches Reich« ohne Mazedonien und Albanien.

Hier zeigt sich auch das größte Problem der antifaschistischen Linken, sagt Savvopoulos: Die Antifaschisten können sich auf der Straße mit den Neonazis messen und ihre Viertel verteidigen. Sie haben jedoch wenig Einfluss auf den politischen Diskurs. Selbst die Autonomen hätten dafür zu viel historischen Bezug zur Staatlichkeit und seien ideologisch immer noch an autoritäre und maoistische Vorstellungen gebunden. Einen progressiven Antinationalismus gäbe es nur vereinzelt. Savvopoulos attestiert der griechischen Linken einen Staatsfetisch.

Um die antinationale Position zu stärken, lud die Redaktion des Magazins verschiedene internationale Akteure ein, die momentan gegen Faschisten kämpfen. So auch die Rojava Film Commune, welche einen Film über die Zerstörung der kurdischen Städte durch IS und türkisches Militär vorführte. Ihr Vertreter sagte auf der Bühne: »Rojava ist Antifaschismus!«

Hinzu kam die Redneck Revolte aus den USA, die über ihre Strategie des Antifaschismus referierte. Das Netzwerk besteht aus rund 40 Gruppen in verschiedenen Staaten und hat laut eigener Schätzung 500 bis 1000 Mitglieder, die alle bewaffnet sind. Es handelt sich hauptsächlich um Arbeiter - daher die Selbstbezeichnung »Redneck«. Für sie ist dies ein Begriff, der von Reichen benutzt wird, um ihre Klasse zu diskreditieren. Ihre Hauptaufgabe sehen sie darin, Arbeitern den Umgang mit Waffen beizubringen, um ihre »Community« gegen den Zugriff des Staates und von Rassisten zu verteidigen. In den USA haben sie das Recht dazu. Die Redneck Revolte setzt auch auf Dialog mit Menschen vor Ort - außer mit überzeugten Faschisten. Manche Gruppen konnten sich in der letzten Zeit in der Größe verdoppeln und viele Menschen in soziale Kämpfe einbinden.

Ob die griechischen Antifaschisten davon etwas lernen konnten, ist fraglich. Die Waffengesetze unterscheiden sich hier - genau wie in Deutschland - deutlich von denen in den USA. Die proletarische Basisarbeit sollte jedoch ein interessanter Aspekt sein, der in Griechenland schon praktiziert wird, in Deutschland bisher allerdings kaum eine Rolle spielt.

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