»Es sind die Menschen, die mich zum Südpol ‚tragen‘«

Wenn du denkst, es geht nicht schlimmer, findet sich ein hilfsbereiter Mensch - diese Erfahrung machte Robby schon oft auf seiner Tour

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 8 Min.
Gerade repariert, rast schon wieder ein Träumer in 'Franky'
Gerade repariert, rast schon wieder ein Träumer in 'Franky'

»Wenn Du denkst, es geht nicht schlimmer ...« schrieb ich im letzten Blogeintrag. Es geht schlimmer! Und wie! Als vor ein paar Wochen in Panama City ein Träumer kurz vorm Hafen auf »Franky« auffuhr und die Heckklappe eindrückte, stand erst mal die Frage, ob das Auto die Überfahrt nach Kolumbien überhaupt antreten könne. Vom Geld, um das treue aber stark lädierte Begleitfahrzeug reparieren zu können, mal ganz abgesehen. Doch alles ging gut. »Franky« kam »krank« aber wohlbehalten in Kolumbien an – und dort passierte ein Wunder. Robby lernte in Bogota während eines Vortages Hermann Gardenas kennen, dessen Familienwurzeln in Deutschland liegen. Der leidenschaftliche Oldtimersammler lud Robby zunächst spontan zu einer Spritztour durch seine Heimatstadt ein und dann zu sich nach Hause. Viel Zeit für beide, über Gott und die Welt und auch über den kaputten »Franky« zu reden. Und was macht der Kolumbianer? Er lässt spontan das Fahrzeug auf seine Kosten reparieren! Robby will es erst gar nicht glauben! Überglücklich holt er den wie neue aussehenden »Franky« aus der Werkstatt ab und weiter geht es nach Ecuador.

Lange aber währt das Glück nicht: Auf dem Weg zu einem Hotel etwas abseits der Laufstrecke wiederholt sich der Albtraum. An einer roten Ampel stoppt Robbys Begleiter den Dodge hinter einem Fahrzeug. Plötzlich rast von hinten ein anderes Auto mit ziemlicher Geschwindigkeit auf »Franky« zu, und ehe überhaupt jemand reagieren kann, prallt es auf und schiebt das Auto auf den vor ihm Stehenden. »Das passierte mit solcher Wucht, dass die Sitzlehnen wegbrachen, wir dadurch aus den Gurten rutschten und uns auf der Rückbank wiederfanden. Zum Glück ist uns nicht weiter passiert, doch der Schock saß tief«, erzählt Robby. »Ich war am Boden zerstört.«

Der Unfall ereignete sich rund 100 Kilometer vor Quito, der Hauptstadt Ecuadors. »Franky« musste erneut ins »Krankenhaus«. Und auch diesmal erlebte Robby dort wieder etwas, womit er nie gerechnet hatte. Der Sohn des Werkstattchefs holte kurzerhand sein eigenes Auto aus der Garage und begleitet Robby bis nach Quito. Dort hatte der ohnehin eine zweiwöchige Pause geplant, um sich von der höchstgelegenen Landeshauptstadt der Welt aus einiges anzuschauen. »Mach dir keine Sorgen um ‚Franky‘, genieß die Zeit, in zwei Wochen hole ich dich wieder ab, dann ist dein Auto wie neu«, verabschiedete sich der junge Mann und fuhr nach Hause zurück.

Mal wieder erlebte Robby, dass sich immer eine Lösung findet. Und dass hinter allem immer wieder Menschen stehen, die ihn mit großer Anteilnahme wie auf Händen vom Nordpol zum Südpol tragen. »Ich habe immer gesagt, es geht mir nicht um Kilometer und Laufzeiten, sondern um die Menschen unterwegs«, sagt Robby. »Ich bin einfach immer wieder überwältigt von den vielen tollen Begegnungen, von der übergroßen Hilfsbereitschaft von Menschen, die ich Stunden vorher oft noch gar nicht kannte.«

Jeder, der nach Ecuador kommt, lässt sich eines nicht entgehen: Einmal im Leben direkt auf der Äquatorlinie stehen - ein Bein auf der Nordhalbkugel der Welt, eines auf der Südhalbkugel. Auch Robby gehört nun – wie ich seit zehn Jahren auch - dem Club derjenigen an, die stolz darauf sind, ein solches Fotos von sich zu haben. »Das war schon was Besonderes für mich. Jetzt geht es mit riesen Schritten dem Südpol entgegen«, scherzt er, obwohl es bis zum Ziel noch gut 8000 Kilometer sind.

Willkommen im Club! Robby steht auf dem Äquator.
Willkommen im Club! Robby steht auf dem Äquator.

Auch in Ecuador hatte Robby wieder viele interessante Begegnungen. Wie zum Beispiel die mit Oliver und seiner Familie. Oliver verfolgt Robbys Tour schon lange über Facebook und wusste deshalb auch, dass er vom Nordpol zu Südpol durch Ecuador laufen wird – die neue Heimat des Quedlinburgers, der vor 15 Jahren durch Mittelamerika reiste, sich in Ecuador in seine heutige Frau verliebte und in ihrer Heimat blieb. Heute lebt er mit ihr und den beiden Kindern in Guayaquil, rund 400 Kilometer von Quito entfernt und arbeitet dort an einer Schule als Lehrer. »Wenn du in Ecuador bist, komm doch bei uns vorbei. Es wäre toll, wenn du unseren Schülern über deine ungewöhnliche Reise erzählen könntest«, hatte Oliver ihm damals via Facebook geschrieben. »Eine solche Bitte konnte ich natürlich nicht abschlagen, zumal Guayaquil ohnehin auf meine Route lag«, so Robby. Nach dem Vortrag luden ihn Oliver und seine Frau zu sich nach Hause ein. »Es war wirklich für mich ein bisschen wie nach Hause kommen, und ganz viele über die Monate angesammelte Sehnsüchte konnte ich dort stillen«, ist Robby noch immer ganz begeistert von dieser Begegnung. »Gemeinsam standen wir in der Küche – ich erledigte allerdings nur Hilfsarbeiten – und bereiteten deutsches Essen zu. Es gab Bratwürste, Kartoffelsalat und Schnitzel«, schwärmt er von dem wundervollen Abend.

Zu Gast bei Oliver aus Quedlinburg und seiner Frau in Gujaquil.
Zu Gast bei Oliver aus Quedlinburg und seiner Frau in Gujaquil.

In Quito lernte Robby – mal wieder rein zufällig – Nicolas aus den USA kennen. Beide wohnten im gleichen Hostel und kamen dort ins Gepräch nach dem Woher und Wohin. »Nicolas erzählte mir, dass er sich nach dem Studium eine Auszeit gönne, um als Rucksacktourist durch Südamerika zu reisen. Von Quito aus wollte er weiter mit dem Bus nach Lima, die Hauptstadt Perus«, so Robby. »Da ich gerade mal wieder nach jemandem suchte, der das Begleitfahrzeug bis Lima steuert, fragte ich ihn einfach, ob er nicht Lust darauf hätte? Nicolas sagte spontan zu, und so machten wir uns mit ‚Franky‘ auf den Weg.«

Inzwischen sind alle drei wohlbehalten in Peru angekommen. Oder wie Robby sagt: »Ab jetzt befinde ich mich auf der Zielgeraden. Nach Peru ist Chile letzte Land auf meiner Tour. Am 7. Dezember fliege ich von dort aus in die Antarktis, dann sind es nur noch gut 1000 Kilometer Fußweg bis zum Ziel am Südpol.«

Bis dahin aber vergehen noch ein paar Tage. Am vergangenen Wochenende haben Robby und Nicolas die Grenze zwischen Ecuador und Peru überschritten, bis in die Hauptstadt Lima sind es auch noch ein paar Schritte. Dort übrigens treffen sich Mitte Juli drei alte Bekannte wieder, sieht man mal ‚Franky‘ als einen davon: Ralf, der im vergangenen Oktober den Dodge in den USA als erster fuhr, bis er einen Monat später wieder nach Deutschland fliegen musste, kommt zurück und begleitet den Extremsportler bis zur Südspitze Chiles, von wo aus Robby dann seinen Weg ins ewige Eis zum Südpol allein fortsetzt. Ralf und er haben schon so einiges gemeinsam erlebt und freuen sich auf weitere Abenteuer.

An der Grenze zu Peru
An der Grenze zu Peru

Bevor sich Ralf wieder hinter »Frankys« Lenkrad setzt, wird Robbe noch eine Woche Urlaub vom Laufen machen und sich einige der Highlights Perus anschauen, die nicht auf dem normalen Weg liegen. Das hatte er von Anfang an geplant, denn in Peru gewesen zu sein ohne die berühmte Ruinenstadt Machu Picchu und den Titicacasee, den mit einer Fläche von 8288 Quadratkilometer größten Süßwassersee Südamerikas, gesehen zu haben, das geht gar nicht. Was Robby allerdings bei seiner Planung nicht ahnen konnte, ist die Art, wie diese Sightseeingtour zustande kam. Dafür müssen wir noch einmal ein paar Wochen zurückblicken: Anfang April, als Robby in Kolumbiens Hauptstadt Bogota war, lernte er über einen Bekannten das Pfarrer-Ehepaar Christhild und Juan kennen. Sie ist Deutsche, er Kolumbianer, beide lebten 20 Jahre in Deutschland, ehe sie in seine Heimat übersiedelten. In Bogota leiten sie die evangelische Kirchengemeinde deutscher Sprache. Nach einem Vortrag Robbys in ihrem Gemeindezentrum wollte er sich für zwei Wochen in der Stadt eine Auszeit gönnen wollte. Wo er denn in Bogota wohnen werde, fragte das Paar ihn. Robby zuckte mit den Achseln und sagte, dass er noch keine Ahnung habe, aber es werde sich schon irgend ein Hostel finden lassen. Spontan luden Christhild und Juan ihn ein, sich im nagelneuen Gästehaus der Kirchengemeinde als ihr Gast einzuquartieren. Und so kam es, dass Robby für zwei Wochen die Gastfreundschaft der Pfarrersfamilie genoss. Oftmals saßen sie zusammen, und dabei erfuhren Christhild und Juan auch, dass sich Robby in Peru unbedingt die touristischen Highlights anschauen möchte. »Mein Bruder führt dort in Cusco ein Reisebüro. Was hältst du davon, wenn er sich um die Besichtigungstour kümmert?«, fragt ihn die Pfarrerin. So wird es nun bald sein. Der Bruder hat inzwischen alles vorbereitet, nur Robby fehlt noch, um gemeinsam loszuziehen.

Grüße von Robby Clemens an die Rennsteigläufer

Ein bisschen war »unser Mann zur Zeit in Peru« in den zwei Wochen auch bei den Leserinnen und Lesern von »neues deutschland«. Am 26. Mai machte er via Videobotschaft mal schnell einen kurzen Abstecher zum Rennsteig, wo er das nd-Rennsteiglauf-Team herzlich grüßte, dessen Ehrenkapitän Robby bereits zweimal war. »Im nächsten Jahr bin ich wieder mit dabei«, versprach er. Und mich erinnerte er bei der Gelegenheit daran, dass ich ihm dort Thüringer Rostbratwürste satt versprochen habe. Robby, das bleibt dabei. Du bekommst sie, nachdem wir beide unseren Lauf beendet haben und das schönste Läuferziel der Welt, Schmiedefeld erreicht haben! Großes Pionierehrenwort!

Grüße Robby Clemens zum Lesergeschichten-Wettbewerb

Nur eine Woche später meldete er sich erneut mit einer Videobotschaft, diesmal um die Gäste der Abschlussveranstaltung des 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs zu grüßen, der in diesem Jahr unter dem Motto »Lebe Deinen Traum!« stand. Ein Thema, zu dem der Extremläufer wohl jede Menge zu erzählen hat. Robby, ich soll Dir ausrichten, dass sich alle schon auf den Tag freuen, an dem Du ihnen auf Frage und Antwort im Münzenbergsaal im nd-Gebäude gegenübersitzen wirst.

Jetzt aber wünsche ich Dir erst einmal eine erlebnisreiche Tour durch Peru und ‚Franky‘ eine blessurenfreie Weiterreise. Machs gut, bis bald!

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