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Berlin zögert beim Kohleausstieg
In der Kohlekommission sitzen kaum Ostdeutsche, die Opposition fehlt ganz
Die letzte Hoffnung, dass die Kohlekommission einen schnellen Kohleausstieg beschließen könnte, dürfte jetzt dahin sein. »Die Kohle wird mit Sicherheit nicht kurzfristig ausgeknipst«, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwochvormittag in Berlin. Und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) fügte hinzu: »Erst wird der Strukturwandel diskutiert.« Danach gehe es um den Klimaschutz.
Da hatte das Bundeskabinett gerade in seiner Sitzung die Einsetzung der Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung«, besser bekannt als »Kohlekommission«, beschlossen. Die Vorsitzenden der Kommission sind, wie schon vorher bekannt geworden war, die früheren Ministerpräsidenten Brandenburgs und Sachsens, Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU). Außerdem sollen der Kommission Ex-Kanzleramtschef und Bahn-Vorstand Roland Pofalla und die Berliner Umweltökonomin Barbara Praetorius vorsitzen.
Auch die weiteren Mitglieder sind jetzt bekannt. Mit dabei sind unter anderem Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften und der Industrie. Außerdem sitzen unter anderem die Wissenschaftler Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Felix Matthes vom Öko-Institut sowie der Vorsitzende des Bundes für Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, der Chef des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, und Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser für die Umweltverbände in der Kommission. Hinzu kommen verschiedene Vertreter aus den Braunkohleregionen. Die drei Bundestagsabgeordneten Andreas Lämmel (CDU), Andreas Lenz (CSU) und Matthias Miersch (SPD) sitzen ebenfalls in der Kommission, haben aber nur Rede- und kein Stimmrecht.
Dass die Opposition nicht vertreten ist, kritisierte die Grünen- Bundesvorsitzende Annalena Baerbock: »Die Kommission kann nur erfolgreich sein, wenn sie von den unterschiedlichsten Akteuren breit getragen wird.« Daher sei es unerklärlich, dass das Parlament an dieser Stelle so missachtet werde.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), dem die Kommission letzten Endes unterstellt ist, argumentierte am Mittwoch in Berlin, dass durchaus Menschen in der Kommission vertreten seien, die anderen Parteien nahestünden. »Die politische Ausgewogenheit ist gewährleistet«, so Altmaier.
Dass zu wenig Ostdeutsche in der Kommission säßen, kritisiert wiederum der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion Lorenz Gösta Beutin. »Es kann nicht sein, dass ostdeutsche Belange von einer Kommission beraten werden, in der Ostdeutsche deutlich unterrepräsentiert sind«, so Beutin. Man tue der Sache keinen Gefallen, wenn Energiewende und Kohleausstieg in den ostdeutschen Regionen als eine Entscheidung von oben wahrgenommen werden.
Die ersten drei Programmpunkte im Mandat der Kommission drehen sich um Arbeitsplätze, die wirtschaftliche Entwicklung und Investitionen in die Kohleregionen, die den Strukturwandel abfedern sollen. An vierter Stelle nennt das Papier dann schließlich Maßnahmen, die helfen sollen, das Ziel, bis 2030 rund 55 Prozent weniger CO2 auszustoßen, für den Energiesektor zuverlässig zu erreichen. Erst im fünften Absatz geht es darum, dass die Kommission einen Plan zur schrittweisen Reduzierung der Kohleverstromung vorlegen soll, einschließlich eines Ausstiegsdatums.
Ob die Kommission dabei ihren Schwerpunkt auf die Förderung der Wirtschaft in den betroffenen Regionen oder auf den Kohleausstieg legen soll, dürfte auch in Zukunft für Streit sorgen. Der BUND hatte zuvor zusammen mit anderen Umweltverbänden gefordert, dass es im Kern um Klimaschutz und Kohleausstieg gehen muss. Noch vor 2020 müssten umfangreich Kohlekraftwerke vom Netz gehen.
Andere, wie die Vertreter der CDU oder der Energiegewerkschaft IG BCE sind bisher als Gegner eines schnellen Ausstiegs bekannt. Die Kommission soll die Ergebnisse, die den Strukturwandel betreffen, bis Ende Oktober dieses Jahres präsentieren. Wie die Klimaziele erreicht werden sollen, will die Kommission noch vor Beginn des Klimagipfels COP 24 im Dezember im polnischen Katowice festlegen.
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