Pro Asyl hält Gesetz zum Familiennachzug für »rechtswidrig«

Organisation: »Aus einem Grundrecht auf Familie wird ein vereinzeltes Gnadenrecht auf dem Rücken von Kriegsflüchtlingen« / Auch LINKE und Grüne kritisieren das Vorhaben der Bundesregierung

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Berlin. Pro Asyl hat an den Bundestag appelliert, das Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu stoppen. »Dieses Gesetz ist unbarmherzig und rechtswidrig«, hieß es in einer Erklärung vom Donnerstag. »Aus einem Grundrecht auf Familie wird ein vereinzeltes Gnadenrecht auf dem Rücken von Kriegsflüchtlingen, denen so dauerhaft das Recht als Familie zusammenzuleben verwehrt wird.« Hauptbetroffene seien syrische Kriegsflüchtlinge, die auf unabsehbare Zeit nicht zurück könnten. »Genau deshalb greift für sie der Schutz von Ehe und Familie des Grundgesetzes«, erklärte der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation, Günter Burkhardt.

Die Neuregelung wurde am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten. Sie sieht zwar vor, dass Geflüchtete mit eingeschränktem Schutzstatus vom 1. August an wieder Familienangehörige zu sich nach Deutschland holen können. Pro Monat sollen aber bundesweit nur 1000 Angehörige einreisen dürfen. Grüne und Linkspartei finden die Regelung zu hartherzig. Die AfD will den Familiennachzug für Flüchtlinge abschaffen. Die FDP ist für eine Härtefallregelung.

In der Parlamentsdebatte haben Grüne und Linkspartei die Regierungspläne zur Neuregelung unmenschlich kritisiert. »Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Familie«, erklärte Ulla Jelpke (LINKE). Die Bundesregierung zwinge »Zigtausende in eine humanitäre Katastrophe«. Jelpke forderte, das Recht auf Familiennachzug müsse für alle Flüchtlingsgruppen gelten. Dies sei auch für eine Integration der betroffenen Geflüchteten zwingend.

Die Grünen-Migrationsexpertin Luise Amtsberg warf der Bundesregierung unterdessen vor, mit der Neuregelung »fundamentale Grundrechte mit Füßen zu treten«. Mit der Abschaffung des zuvor geltenden Rechtsanspruchs auf Familiennachzug werde »ein Grundrecht in ein Gnadenrecht verwandelt« und der verfassungsrechtlich gebotene Schutz von Ehe und Familie beschädigt. Mit Blick auf eine vorgesehene Bevorzugung von Härtefällen sagte Amtsberg: »Jede Familientrennung ist ein besonders schwerer Fall.«

Pro Asyl unterdessen hält auch die von Bayern angedachte Zurückweisung von Migranten an der Grenze für rechtlich fragwürdig. Die Organisation weist darauf hin, dass nicht in jedem Fall jener EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Migrant zuerst europäischen Boden betreten hat. Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren gehe etwa die »Herstellung der Familieneinheit« vor, erklärte Burkhardt der Deutschen Presse-Agentur. »Minderjährige dürfen gar nicht wie Flipperkugeln in der EU hin und her katapultiert werden.« Europa als Rechts- und Wertegemeinschaft drohte zu zerfallen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht Zurückweisungen an der Grenze als letzte Konsequenz, falls andere Bundesländer bei den von Bayern befürworteten Ankerzentren nicht mitziehen. In diesen von Innenminister Horst Seehofer (CSU) propagierten Zentren soll das komplette Asylverfahren abgewickelt werden. Außer Bayern sehen viele Länder die Pläne skeptisch.

»Das europäische Rechtssystem ist klar«, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im sachsen-anhaltischen Quedlinburg, wo zurzeit die Innenminister der Länder tagen. »Das Asylverfahren ist dort durchzuführen, wo jemand das erste Mal in Europa ankommt.« dpa/nd

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