- Politik
- Europäischer Drogenberichts 2018
Europäer schnupfen mehr Kokain
Laut EU-Bericht bleibt Cannabis aber Lieblingsdroge
»Der Mann neben dir im Zug hat es erst heute Morgen wieder genommen, um wach zu werden, und der Fahrer des Busses, der dich nach Hause bringt, kokst auch, um in den langen Überstunden die Verspannungen im Nacken nicht zu spüren«, beginnt der Mafia-Experte Roberto Saviano sein Buch über das weiße Gold aus den Anden. Denn Kokain, so das Fazit des am Donnerstag veröffentlichten »Europäischen Drogenberichts 2018«, ist in Europa auf dem Vormarsch.
»Die in unserem Bericht dargelegten Ergebnisse zeigen, dass Europa nun die Folgen einer höheren Kokainproduktion in Lateinamerika zu spüren bekommt«, sagt der Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), Alexis Goosdeel. Laut dem Bericht seiner Behörde nahmen dabei die Menge und der Reinheitsgrad des sichergestellten Kokains zu.
Mit 30 von fast 71 Tonnen wurde 2016 fast die Hälfte des in Europa sichergestellten Kokains in Belgien beschlagnahmt. Damit macht das Land Spanien offenbar den Rang als Haupteinfuhrort für Kokain streitig. Die klassische Schmuggelroute verläuft über den Schiffweg von Lateinamerika - häufig über den Umweg durch Westafrika - auf die Iberische Halbinsel, von wo die Droge auf ganz Europa verteilt wird. In Spanien wurden 15,6 Tonnen gefunden, in Frankreich 8,5, in Großbritannien 5,7 und in Deutschland knapp 1,9 Tonnen.
Schätzungsweise 17 Millionen erwachsene Europäer haben schon mal das weiße Pulver geschnupft. Dies entspricht 5,1 Prozent der 15- bis 64-Jährigen. Besonders viel gekokst wird in Dänemark, Irland, Spanien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. In diesen Ländern kokst mindestens einer von 40 jungen Erwachsenen einmal im Jahr oder öfter.
Dass die stimulierende Droge immer beliebter wird, zeigen auch Untersuchungen von Kokain-Rückständen im Abwasser. Europäische Kokainhauptstadt ist demnach Barcelona, gefolgt von Zürich und Antwerpen. In Deutschland wir pro Kopf am meisten Kokain in Dortmund konsumiert, danach kommen die Bankenmetropole Frankfurt am Main und die Hansestadt Hamburg. Die (Party-)Hauptstadt Berlin liegt nach Hannover erst an fünfter Stelle.
Indes kommt nach der Feier aber immer häufiger auch der Absturz. »Nach einer Phase des Rückgangs stieg die Gesamtzahl der Personen, die sich erstmals wegen Kokain in Behandlung begaben, zwischen 2014 und 2016 um mehr als ein Fünftel«, heißt es in dem Drogenbericht. Demnach ließen sich vorletztes Jahr in Europa insgesamt über 67 000 Personen wegen ihrer Kokainsucht behandeln. Fast drei Viertel von ihnen stammen aus Spanien, Italien und dem Vereinigten Königreich.
Nichtsdestotrotz bleibt Cannabis die mit Abstand am meisten konsumierte illegalisierte Droge in Europa. Rund ein Prozent aller erwachsenen Europäer kifft täglich oder fast täglich. Dass zunehmend hochwertiges Hanf innerhalb Europas angebaut wird, hat offenbar auch Auswirkungen auf traditionelle Anbaugebiete außerhalb Europas. »Was sich daran ablesen lässt, dass Cannabisharz mit höherem Wirkstoffgehalt aus Marokko nach Europa geschmuggelt wird«, so der Bericht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.