Zurück an den runden Tisch der Macht
Deutschland steht vor Wahl in den Weltsicherheitsrat
Man kann dem Auswärtigen Amt wirklich nicht vorwerfen, nicht alles für einen Platz an der diplomatischen Sonne getan zu haben. Selbst Ex-Weltmeister Lothar Matthäus schnürte gemeinsam mit ausländischen Altstars der Bundesliga unlängst noch einmal die Fußballschuhe, um bei einem Mini-Tunier vor dem UN-Hauptquartier für den sechsten deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat zu werben. Wer neben den fünf ständigen Mitgliedern China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA mit ihrem Vetoprivileg wenigstens für 24 Monate im wichtigsten Beschlussorgan der Vereinten Nationen mitentscheiden will, braucht einen langen Atem. Schon Anfang 2014 ließ Berlin wissen, dass man ab 2019 wieder »Verantwortung übernehmen« wolle, wie das in der Diplomatensprache heißt. Bundesaußenminister Heiko Maas warb unlängst in New York damit, dass Deutschland inzwischen zweitgrößter UN-Geldgeber wie Truppensteller bei Friedensmissionen sei. Doch tatsächlich wird letztere Rangliste von armen Entwicklungsländern wie Äthiopien, Bangladesch und Ruanda angeführt - es gibt also Luft nach oben.
Wichtigstes Gremium der UN
Allein die 15 Mitglieder des Sicherheitsrats dürfen völkerrechtlich bindende Entscheidungen treffen, vor allem wenn es um Militäreinsätze, friedenssichernde Maßnahmen, Sanktionen und Konfliktprävention geht. Die Bundesrepublik saß im Gremium zuletzt 2011/2012 mit einem nichtständigen Mandat und erregte Aufsehen, weil man sich beim Votum über die Militärintervention in Libyen der Stimme enthielt. Da eine grundlegende UN-Reform und damit auch der von Berlin angestrebte permanente deutsche Ratssitz auf absehbare Zeit unrealistisch sind, gab die Bundesregierung das Ziel aus, zumindest alle acht Jahre auf höchster Ebene vertreten zu sein. Deutschland muss sich dabei in der »Western European and Others Group« (WEOG) durchsetzen. Nachdem dort inzwischen Israel seine Bewerbung zurückgezogen hat, stehen am Freitag in der UN-Vollversammlung nur noch Belgien und die Bundesrepublik für die zwei WEOG-Sitze zur Wahl. Erforderlich ist trotzdem eine Zweidrittelmehrheit der 193 Mitgliedstaaten.
Keine Reform in Sicht
Trotz zunehmender Kritik am globalen Krisenmanager Sicherheitsrat, vor allem wegen der gegenseitigen Blockaden der Vetomächte, braucht die krisen- und konfliktgeplagte Welt auch aus Berliner Sicht für die Aufrechterhaltung der Friedensordnung einen solchen Vermittler. Nur spiegelt die Zusammensetzung des Rats noch immer die Welt des Gründungsjahrs 1945 und nicht die des 21. Jahrhunderts wider. Doch alle Reformversuche scheiterten bisher vor allem am Widerstand der Vetomächte, auch die gemeinsame Initiative Deutschlands mit Indien, Brasilien und Japan (G4). Allerdings fragen Kritiker, ob ein ständiger deutscher Sitz zwangsläufig Voraussetzung für zukunftssichernde Veränderungen der UN-Institutionen sein müsse. In Berlin erklärt man dann gern, dass das Fernziel ja ohnehin ein gemeinsamer EU-Sitz sei. Eine Reform müsste allerdings von der UN-Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit angenommen sowie von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten ratifiziert werden - darunter die Vetomächte. Aber auch Italien ist gegen einen ständigen deutschen Sitz und China gegen einen japanischen und Argentinien gegen einen brasilianischen usw. usf.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.