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Hamas ruft zum »Tag des Zorns«
Proteste in Palästina zum 51. Jahrestag des arabisch-israelischen Sechs-Tage-Krieges
Die israelische Feuerwehr hat zur Zeit viel zu tun im Süden Israels. Immer wieder brennen in der Nähe zum Gazastreifen in diesen Wochen Felder und Wiesen. Verantwortlich dafür ist etwas, was in Israels Medien meist als »Terrordrachen« bezeichnet wird: Im Gazastreifen lässt man selbst gebaute Winddrachen aufsteigen, an denen Brandsätze befestigt sind, die auf der israelischen Seite für Brände sorgen sollen. Auf umgerechnet mehrere hunderttausend Euro schätzt Israels Regierung die Schäden bislang. Viel tun könne man dagegen nicht, stellte das Militär am Donnerstag klar: Jeder könne einen solchen Drachen samt Brandsatz bauen und steigen lassen; meist passiere das von Häusern aus, in denen sich Kinder befinden, so Generalmajor Joaw Mordechai, Militärkoordinator in den palästinensischen Gebieten, während sich der Minister für Innere Sicherheit, Gilad Erdan, darüber beklagte, das Militär ignoriere seine Forderung, gegen jene vorzugehen, die diese Drachen aufsteigen lassen.
Im Gazastreifen wurden derweil per Lastwagen tonnenweise Altreifen in die Nähe der Grenze gebracht. Die Hamas, die im Gazastreifen regiert, hat zu weiteren Massenprotesten am Grenzzaun aufgerufen; auch Reifen sollen dabei wieder verbrannt werden: Heute, am letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan, finden in vielen Städten in Europa und in Nordamerika sowie in Iran Demonstrationen zum Al-Quds-Tag statt. Die Kundgebungen, die nach dem arabischen Namen für Jerusalem benannt sind, gehen auf Ajatollah Ruhollah Chomeini, den Gründer der Islamischen Republik Iran, zurück und sollen Muslime gegen Israel und für die palästinensische Sache vereinigen. Doch in der arabischen Welt blieben die Demonstrationen über die Jahrzehnte nahezu bedeutungslos, wurden und werden als iranische Angelegenheit gesehen. Auch in den palästinensischen Gebieten blieben Kundgebungen bislang stets rar und klein.
Nun hat die Hamas allerdings den Al-Quds-Tag ganz nach oben auf die Prioritätenliste gesetzt: Seit Tagen wird in den Fernseh-, Radio- und Social-Media-Kanälen der Hamas zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen; auch im Westjordanland und in Jerusalem sollen Palästinenser am »Marsch der Million« teilnehmen, um ihre »Unterstützung für Jerusalem, für den palästinensischen Widerstand« zu zeigen, so Yahya Sinwar, Gaza-Chef der Hamas, im Sender AlQuds TV. Ursprünglich hatten die Proteste bereits am Dienstag stattfinden sollen: Der Jahrestag des Beginns des Sechs-Tage-Krieges von 1967 ist neben dem Tag der israelischen Staatsgründung der zweite große Protesttag in den palästinensischen Gebieten.
Doch im Westjordanland blieben Massenproteste aus; die international anerkannte Regierung von Präsident Mahmud Abbas hatte dort auf Protestaufrufe verzichtet und dabei offen eingestanden, dass man Sorge hat, dass sich die Proteste gegen die eigene Regierung richten könnten: Denn die öffentlichen Bediensteten sind, wieder einmal, entweder gar nicht oder nur zum Teil bezahlt worden. In einigen Städten kam es deshalb zu Streiks und Auseinandersetzungen mit der palästinensischen Polizei.
Im Gazastreifen hatte die Hamas bereits Tage zuvor bekanntgegeben, dass man sich den Al-Quds-Demonstrationen anschließen werde. Bei öffentlichen Auftritten betonten Vertreter der Hamas-Regierung immer wieder die »Freundschaft mit unseren iranischen Brüdern«. Sinwar lobte »die iranische Unterstützung für den Kampf der Palästinenser um Freiheit« und erklärte, »die Palästinenser unterstützen den Kampf Irans gegen die zionistische Aggression« - Worte, die deutlich darauf hindeuten, dass die finanziell klamme Hamas, die in den vergangenen Jahren immer wieder finanziell und militärisch vom Iran unterstützt wurde, vor dem Hintergrund der Diskussion um das Atomabkommen auf weitere Unterstützung aus Teheran hofft.
Währenddessen freut sich die palästinensische Regierung darüber, dass die in Israel ausgesprochen beliebte argentinische Fußballmannschaft ein Freundschaftsspiel gegen Israel abgesagt hat, nachdem Israels Regierungschef eigenmächtig veranlasst hatte, dass der Spielort von Haifa nach Jerusalem verlegt wird, und dies den Argentiniern mit den Worten mitgeteilt wurde, er freue sich darauf, die argentinische Nationalmannschaft »in unserer ewigen Hauptstadt Jerusalem« zu begrüßen.
Jibril Rajoub, Chef des palästinensischen Fußballverbandes, drohte daraufhin damit, Palästinenser würden massenweise Trikots von Lionel Messi, dem argentinischen Fußballidol, verbrennen, falls das Spiel stattfinde.
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