+++ Wagenknechts Rede führt zu heftigen Debatten +++

Aussprache über asylpolitische Vorstellungen gefordert / Bartsch: Wir erleben »jeden Tag mehr die blanke Verrohung der Gesellschaft« / Parteitag plädiert für offene Grenzen / Leitantrag fordert »soziale Offensive« für alle

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Update 19:00 Uhr: Das war’s
Der Parteitag in Leipzig ist zu Ende. Auch »nd« sagt Tschüss – und beendet diesen Newsblog. Wer sich und uns etwas Gutes tun will, der geht morgen zum Kiosk und kauft die aktuelle Ausgabe dieser Zeitung, denn dort wird auf mehreren Seiten über die Ereignisse in der Messestadt berichtet.

Update: 18:40 Uhr: Werben fürs »nd«
Auf dem Parteitag der Linken wurde nicht nur kontrovers diskutiert - es wurde auch demonstriert. Mitarbeiter von »neues deutschland« hatten sich auf den Weg nach Leipzig gemacht. Das Motto: »Abos retten linken Arsch. Solidarität mit dem ›nd‹«.

Update 18:25 Uhr: Zwei Tage Klartext
Die Debatte auf dem Leipziger Messegelände machte die Differenzen in der Führungsetage und den Kampf um politische Selbstbehauptung deutlich. Was in den Monaten vor dem Parteitag stattgefunden hatte, setzte sich in Leipzig fort: ein Tauziehen zwischen den Machtzentren der Partei - Vorstand hier, Bundestagsfraktion da.

Update: 18:00 Uhr: Von Angesicht zu Angesicht
Eineinhalb Tage blieb in Leipzig die Form der Höflichkeit gewahrt. Dann kam am Sonntag die Rede von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Der seit Monaten offen ausgetragene Streit brach sich Bahn. Ob es ein reinigendes Gewitter war, muss sich erst noch zeigen.

Update 17:50 Uhr: Ein Streit mit Fortsetzung
Auf dem Bundesparteitag ist es zu einer offenen Auseinandersetzung zwischen Unterstützern und Kritikern von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gekommen. Es ging um die seit Monaten debattierte Fragen: Wer darf nach Deutschland zuwandern? Die Diskussion in Leipzig brachte die Gemühter zum Kochen, es wurde hitzig gestritten.

Update 15:25 Uhr: Partei und Fraktion an einem Tisch
Es war ein Bild, das so nur selten auf dem Parteitag zu sehen war: Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie die Bundestagsfraktionschef Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch betreten zum Ende der Debatte über die unterschiedlichen asylpolitischen Vorstellungen innerhalb der Partei gemeinsam die Bühne. Das Quartett kündigt eine gemeinsame Klausur von Parteivorstand und Linksfraktion an, um die Diskussion fortzuführen.

Vorausgegangen war eine etwa einstündige Debatte, die mit knapper Mehrheit von den Delegierten gefordert und beschlossen worden war. In den Wortbeiträgen wurden unter anderem mehrfach betont, dass der Parteitag in der Asylfrage mit dem Leitantrag eine klare Linie beschlossen habe. Kritik wurde allerdings auch daran laut, dass dem Streitpunkt in Leipzig zu wenig Platz eingeräumt wurde. Mehre Delegierte erinnerten zudem daran, dass die eigentlichen politischen Gegner nicht innerhalb der Partei zu suchen seien. Die Debatte müsse ohne persönliche Angriffe weitergeführt werden.

Update 13:10 Uhr: Aussprache dringend notwendig
Die Emotionen kochen hoch: Auf dem Parteitag ist es am Sonntag zu einer offenen Auseinandersetzung über die flüchtlingspolitischen Vorstellungen von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gekommen. Diese verteidigte in einem geplanten Redebeitrag ihre Vorschläge zu Einschränkungen bei der Zuwanderung, wurde dafür aber im Anschuss von Delegierten zum Teil heftig verbal angegriffen.

Sie stehe zum Asylrecht und sei für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, sagte Wagenknecht vor den Delegierten. Sie betonte zugleich: »Wir streiten über die Frage, ob es für Arbeitsmigration Grenzen geben sollte und wo sie liegen.« Dies solle sachlich gemacht werden. Es gab Buhrufe, aber auch Zustimmung. Schließlich beschlossen die Delegierten mit einer Mehrheit von nur einer Stimme, abweichend von der Tagesordnung eine Stunde über Wagenknechts Vorstellungen zu diskutieren. Um den Zeitplan allerdings nicht völlig durcheinander zu bringen, wurden vor der Debatte die noch nicht abgeschlossenen Parteivorstandswahlen durchgeführt.

Update 12:45 Uhr: Ein Fall für 007
In Zeiten einer innerparteilichen Zerrissenheit wurde Katja Kipping und Bernd Riexinger in Leipzig als LINKE-Vorsitzende bestätigt - allerdings nicht mit berauschenden Ergebnissen. nd-Chefredakteur Wolfgang Hübner über die Zerrissenheit der Linkspartei.

Update 11:30 Uhr: Wer sind Parteivize?
Katja Kipping? Sahra Wagenknecht? Bernd Riexinger? Dietmar Bartsch? Klar, die erste Reihe einer Partei kennt jeder. Doch auf so einem Parteitag werden auch viele Menschen in wichtige Funktionen gewählt, die nicht jeder sofort kennt. Das gilt beispielsweise für den Posten der Parteivizevorsitzenden. Die Kolleg*innen der dpa haben Kurzbios der gewählten Politiker*innen zusammengestellt:

Janine Wissler (37): Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, seit
2014 Vize-Bundesvorsitzende. Gilt als großes Nachwuchstalent der
Partei.

Tobias Pflüger (53): Friedensaktivist aus Baden-Württemberg, sitzt
seit 2017 im Bundestag. Seit 2014 Parteivize.

Axel Troost (63): Wirtschaftsexperte, in Hagen geboren, seit 2012
Parteivize. War Mitbegründer der westdeutschen WASG, die 2007 mit der
PDS zur Linkspartei fusionierte. Saß bis 2017 im Bundestag.

Martina Renner (51): Bundestagsabgeordnete aus Thüringen, seit 2013
im Parlament. Machte sich einen Namen im Untersuchungsausschuss zur
NSA-Affäre. Neu in der Riege der Parteivizes.

Simone Oldenburg (49): Fraktionschefin im Landtag von
Mecklenburg-Vorpommern. Die frühere Lehrerin und Schulleiterin ist
ebenfalls neu als Parteivize.

Ali Al-Dailami (37): Kreisvorsitzender aus Hessen. Wurde im Jemen
geboren und kam als Sohn politischer Flüchtlinge nach Deutschland.

Update 10:51 Uhr: »Ich wollte kein Kuschel-Ergebnis«
Guten Morgen aus der Messehalle Leipzig am dritten Tag vom Bundesparteitag der LINKEN. Ganz kurz haben wir uns ja gefragt, ob die Genoss*innen überhaupt ein paar Stunden Schlaf bekommen haben. Der heutige Tag beginnt, wie der Sonnabend endete: Mit den Wahlen zum Parteivorstand. Mit Spannung wird außerdem die Rede der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Sahra Wagenknecht, gegen 12 Uhr erwartet.

Apropos Wahlen: Die wiedergewähle LINKEN-Vorsitzende Katja Kipping sieht sich ungeachtet des Dämpfers bei ihrer Wiederwahl in ihrem Kurs bestätigt. »Ich wollte kein Kuschel-Ergebnis, sondern habe sehr klar für meine politischen Überzeugungen gekämpft«, sagte Kipping der Deutsche Presse-Agentur in Leipzig.

Die LINKE bleibe »die Partei der Solidarität, der offenen Grenzen und der sozialen Gerechtigkeit, das hat der Parteitag mit breiter Mehrheit bekräftigt«, sagte Kipping. »Ich gehe davon aus, dass wir jetzt entschlossen die Arbeit aufnehmen und gemeinsam die entscheidende Kraft links der CDU werden«, meinte sie. »Gemeinsam, mit all unseren verschiedenen Stärken, können wir unsere Partei viel stärker machen.«

Update 20:19 Uhr: Wir erleben »jeden Tag mehr die blanke Verrohung der Gesellschaft«
Nach der spannenden und äußerst knappen Entscheidung für den neuen Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler war die Luft ein bisschen raus aus dem Parteitag. LINKEN-Fraktionschef Dietmar Bartsch weckte mit einer starken Rede noch einmal die Emotionen der Delegierten. Auch wenn die Auseinandersetzungen zwsichen Partei- und Fraktionsführung am Sonnabend nur selten deutlich und direkt zur Sprache kamen, fand Bartsch auch dazu einige Worte: »Wir werden den Konflikt nicht dadurch lösen, dass wir uns gegenseitig als Rassisten, Nationalisten, Faschisten oder als neoliberale Naivlinge bezeichnen«, sagte er unter Applaus des Delegieterentreffens. Die Partei müsse »nicht lauter werden«, so Bartsch. Stattdessen ginge es darum, »klarer, verständlicher, besser und kulturvoller« zu sein. Ständige Empörung führe dagegen nur zur Erschöpfung und nutze sich irgendwann ab. »Es ist nicht leicht, in diesem gesellschaftlichen Klima Haltung und einen kühlen Kopf zu bewahren. Es ist nicht leicht, konsequent menschlich und sozial zu argumentieren, zu streiten, zu überzeugen.« Statt eines notwendigen sozialen Aufbruches erlebe man »jeden Tag mehr die blanke Verrohung der Gesellschaft«.

Update 19:30 Uhr: Schindler mit nur drei Stimmen Vorsprung gewählt
Enger konnte es kaum sein: Für die Wahl des LINKEN-Bundesgeschäftsführers wurde am Ende eine Stichwahl nötig. Weder Jörg Schindler noch Frank Tempel konnten im ersten Anlauf mindestens 50 Prozent der abgegebenen Stimmen hinter sich vereinigen. Im zweiten und entscheidenen Wahlgang lag Schindler schließlich mit 265 Stimmen (48,36 Prozent) nur äußerst knapp vor Tempel, der 262 Delegierte (47,81 Prozent). Schindler sagte, er wolle integrieren: »Ich möchte die Geschäfte der Partei in ihrer Vielfalt führen - und nicht die Geschäfte von Personen.« Er, der der Wunschkandidat der beiden Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger war, tritt die Nachfolge des kommissarischen Bundesgeschäftsführers Harald Wolf an. Dieser hatte das Amt im vergangenen Jahr übernommen, nachdem der langjährige Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn im Zuge des Führungsstreits bei den LINKEN zurückgetreten war. Wolf wurde in Leipzig zum neuen Bundesschatzmeister gewählt.

Update 18:52 Uhr: Schindler oder Tempel?
Zwei Kandidaten stehen für das Amt des Bundesgeschäftsführers bereit, der die Partei managen soll. Favorit von Katja Kipping und Bernd Riexinger ist der bisher wenig bekannte Jörg Schindler, ein Rechtsanwalt aus Sachsen-Anhalt. Er hatte an dem Konzept für ein linkes Einwanderungsgesetz der ostdeutschen Landesverbände mitgearbeitet. Dem »nd« hatte er vor einigen Wochen gesagt, dass er nicht polarisieren wolle. Schindler hatte in diesem Zusammenhang auch Verständnis für Kritiker wie Wagenknecht gezeigt. Seine Unterstützer bezeichnen Schindler, der unter anderem Mitglied in der Roten Hilfe ist, als einen »linken Zentristen«.

Gegen Schindler wird nun der Thüringer Frank Tempel antreten. Er ist ebenso wie Kofraktionschef Dietmar Bartsch Mitglied im reformsozialistischen Forum Demokratischer Sozialismus (fds), gilt aber nicht als Strömungskandidat. Unterstützung erhält Tempel aus Sachsen, von anderen Mitgliedern des fds und »in diversen Kreisverbänden aller Landesverbände«, wie er dem »nd« mitteilte. Auch Wagenknecht hat sich positiv über ihn geäußert.

Er kommuniziere über Facebook und habe strömungsübergreifend positive Rückmeldungen von Genossen erhalten, die ihn etwa aus der Drogenpolitik kennen, so Tempel. Er setzt sich für die medizinische Verwendung und die Legalisierung von Cannabis ein.

Über seinen Gegenkandidaten Schindler sagte Tempel nur, dass er ihn vom Sehen kenne und seine Möglichkeiten nicht einschätzen könne. Dagegen verwies er auf viel eigene Erfahrung in vier Jahren im Parteivorstand und acht Jahren in der Bundestagsfraktion. Zwei Jahre war Tempel einer von mehreren Fraktionsvizes. »Ich kenne die Strukturen sehr gut und konnte bei strittigen Fragen in der Fraktion moderieren«, sagte Tempel über sich selbst.

Update 18:48 Uhr: Al-Dailami, Pflüger, Troost gewählt
Und damit wären die sechs Vizevorsitzenden für die LINKE komplett. Auf der gemischten Liste des Parteitages wurden gewählt: Ali Al-Dailami (67,25 Prozent), Tobias Pflüger (56,09 Prozent) und Axel Troost (69,44 Prozent),

Update 18:08 Uhr: Renner, Oldenburg, Wissler gewählt
Und nun hat Linkspartei auch schon ihre drei neuen Vizevorsitzenden. Gewählt hat der Parteitag: Martina Renner (67 Prozent), Simone Oldenburg (64,97 Prozent) und Janine Wissler (81,5 Prozent).

Update 17:45 Uhr: Sechs Plätze, sechs Kandidat*innen
Zur Stunde läuft die Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden. Überraschungen sind dabei nicht zu erwarten. Für die sechs Vizeposten gibt es sechs Kandidat*innen. Der Parteivorstand hat hierzu bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst, die Zahl der Vizechefs zu erhöhen. Diese Strategie kennt man auch aus der SPD, die ihre Vizeposten in den letzten Jahren ebenfalls auf sechs erhöht hat, um unterschiedliche Landesverbände und Strömungen zufriedenzustellen. Der Parteitag schloss sich mit knappem Votum dem Vorschlag des Vorstandes an, die Zahl der zu wählenden Posten zu erhöhen.

Update 16:58 Uhr: Gysi betont internationalistischen Anspruch
In seiner Rede betonte Gregor Gysi, Präsident der Europäischen Linken, die Partei dürfe ihren internationalistischen Anspruch nicht aufgeben. Mit Sorge sieht es der 70-Jährige, dass Linke sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland zunehmend glaubten, Probleme ließen sich mit einem Rückzug auf die nationale Ebene lösen. In dem Zusammenhang betonte Gysi, die LINKE dürfe auf rechte Wähler*innen inhaltlich nicht zugehen, sondern müsse dafür kämpfen, diese zu überzeugen.

Es wäre »grottenfalsch, wenn die Linke sich den Diskurs gegen Einwanderung von rechts aufzwingen ließe. Die LINKE muss das Gegenüber zur Rechtsentwicklung werden.« Bevor Geflüchtete nach Deutschland kamen, gab es kein höheres Hartz IV »und seitdem sie hier sind, gibt es kein niedrigeres Hartz IV«. Die Mehrheit im Bundestag billige den Ärmsten völlig unabhängig von ihrer Zahl und den Geflüchteten immer »nur das Allernotwendigste zu«.

Gysi fragte: »Kann man überhaupt von sozialer Gerechtigkeit sprechen, wenn sie an der eigenen Landesgrenze stoppt?«

Update 15.17 Uhr: Kipping und Riexinger wiedergewählt
Die LINKEN-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sind am Sonnabend auf dem Bundesparteitag in Leipzig als Doppelspitze bestätigt worden. Kipping erhielt ein Ergebnis von 64,5 Prozent, für Riexinger stimmten 73,8 Prozent. Die beiden stehen seit 2012 an der Spitze der Partei. Ein Blick in die Parteitagsstatistik zeigt: Für Kipping war dies das bisher schlechteste Ergebnis. Bei ihrer ersten Kandidatur 2012 erhielt sie 67 Prozent, 2014 votierten 77 Prozent für sie, 2016 wurde Kipping mit 74 Prozent im Amt bestätigt. Für Riexinger sieht es etwas besser aus: Bei seiner ersten Wahl 2012 holte er 53,5 Prozent, zwei Jahre später 90 Prozent, 2016 waren es 78,5 Prozent.

Update 14.15 Uhr: Wagenknecht sieht Debatte über Flüchtlingspolitik als nicht beendet an
Obwohl der Bundesparteitag mit großer Mehrheit dem Leitantrag des Parteivorstandes und dessen Kurs in der Flüchtlingspolitik zugestimmt hat, sieht die Linksfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht weiterhin Diskussionsbedarf. »Alle Parteien diskutieren die Flüchtlingspolitik, niemand hat abschließende Positionen, deshalb wird die Debatte auch nicht nach unserem Parteitag beendet sein«, so Wagenknecht gegenüber dem TV-Sender Phoenix. Bestimmte Streitfragen seien im Leitantrag sowieso ausgeklammert gewesen.

Wagenknecht bekräftigte ihre Auffassung, wonach es keine Öffnung der Grenzen für alle geben könne. »Es muss offene Grenzen für Verfolgte geben, aber wir dürfen auf keinen Fall sagen, dass jeder, der möchte, nach Deutschland kommen kann, hier Anspruch auf Sozialleistungen hat und sich hier nach Arbeit umsehen kann.« Ein Staat sei im Übrigen auch gefordert, zu gewährleisten, dass Menschen in einem Umfeld leben könnten, in dem sie sich sicher fühlten. »Dies infrage zu stellen ist keine linke Position, sondern eine völlig absurde Position.« Wer dies vertrete, verprelle auch potentielle Wähler, die vom Grundsatz her durchaus viele Positionen der LINKEN teilten, eine totale Grenzöffnung jedoch ablehnten.

Update 13.10 Uhr: Wie viel Debatte darf es sein?
Die mögliche (Nicht)Behandlung eines Antrags vom »Forum Demokratischer Sozialismus« (fds) hat unter den Delegierten für einige Kontroversen gesorgt. Am Freitag hatte der Parteitag zunächst entschieden, den Antrag (A2) »Fragend schreiten wir voran« am Folgetag auf jeden Fall zu behandeln, da diesem »eine besondere Wichtigkeit« zugemessen wurde. Am Sonnabend entschied sich eine Mehrheit der Delegierten jedoch in einer erneuten Abstimmung dagegen.

Das fds fordert in dem Antrag die Einsetzung einer Programmkommission. Diese soll sich zu mindenstens 50 Prozent aus Mitgliedern zusammensetzen, die erst nach dem Beschluss des Erfurter Programms im Jahr 2011 in die Partei eingetreten sind. Die Kommission hätte den Auftrag, mittels Veranstaltungen, Foren und Einzelgesprächen festzustellen, inwieweit Veränderungsbedarf am Programm besteht und dem nächsten Bundesparteitag dafür Vorschläge zu machen, wie »die basisdemokratische Programmarbeit« fortgesetzt werden könnte.

Nach dem Beschluss der Delegierten auf Nichtbehandlung wurde der Parteitag für 15 Minuten unterbrochen.

Update 12.30 Uhr: Parteitag fordert offene Grenzen für Flüchtlinge
Die LINKE hat auf ihrem Bundesparteitag mit großer Mehrheit offene Grenzen für Flüchtlinge gefordert. Die Delegierten stimmten am Sonnabend für den Leitantrag des Parteivorstandes und damit auch für den Kurs in der Flüchtlingspolitik, den die Parteispitze darin vorgegeben hatte. In den vergangenen Monaten hatte es parteiintern heftige Auseinandersetzungen über das Thema gegeben.

In dem Leitantrag, der nun beschlossen wurde, ist ein »Dreiklang« festgeschrieben: Fluchtursachen müssten bekämpft werden, etwa durch den Stopp von Waffenexporten. Es sei eine »soziale Offensive« für alle Menschen in Deutschland nötig, um gesellschaftliche Kämpfe um Wohnungen und Jobs zu verhindern. Außerdem müsse es sichere und legale Fluchtwege sowie offene Grenzen für Schutzsuchende geben.

Update 12.15 Uhr: Ramelow sieht nicht alle AfD-Wähler am rechten Rand
Bodo Ramelow haben wir auf dem Parteitag zwar noch nicht gesehen, dennoch hat er etwas zu sagen, was für die aktuellen Debatten in der Linkspartei nicht ganz unwichtig sein könnte:

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) glaubt nicht daran, dass alle AfD-Wähler politisch Rechtsaußen zu verorten sind. Er neige nicht dazu, »jeden, der die AfD wählt, als zugehörig zum rechten Rand einordnen zu wollen«, sagte der LINKE-Politiker in einem Interview der »Thüringer Allgemeinen Zeitung« (Samstag). Auch sei die AfD keine »reine Nazipartei«. Eher sehe er den Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke in der Verantwortung, »für das Einreißen der Grenzen, die es früher zwischen Demokraten und Rechtsextremisten gab«. Ramelow bezeichnete Höcke als »Brandstifter«. dpa

Update 11.00 Uhr: Kipping warnt vor neuem Faschismus
Guten Morgen aus der Messehalle in Leipzig. Das mit der Digitalisierung muss die LINKE noch üben - zumindest was die stabile Flächenversorgung mit Internet angeht.

Aber zu den Inhalten: Erster Höhepunkt des heutigen Tages war die Rede der Ko-Vorsitzenden Katja Kipping. »Wir sind der Gegenentwurf zu Jens Spahn, der Gegenentwurf zur AfD«, rief sie den Delegierten in der Leipziger Messehalle zu. Kipping mahnte, den Rechtsruck nicht zu unterschätzen und warnte vor einem neuen Faschismus.

Die Linksparteichefin appellierte an die Genossen*innen, sich auf ihre Grundwerte zu besinnen und dem Erstarken der Rechten entgegenzutreten. »In diesen Zeiten haben wir eine besondere Verantwortung.« Es gebe einen Rechtsruck in der Gesellschaft, das Autoritäre habe Aufwind. »Das Treten nach unten ist alltäglich geworden.« Über Flüchtlinge werde auch fast nur noch als Problem gesprochen. In dieser Lage komme es auf die LINKE an.

Die Grenzen in der Gesellschaft verliefen nicht zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, sondern zwischen unten und oben und zwischen den Klassen. Das müsse die LINKE deutlich machen und sich für die Lösung der Missstände einsetzen. »Wir stehen an der Seite der Entrechteten.« Das gelte für alle Entrechteten, egal ob an den Werkstoren, vor Jobcentern oder auf Fluchtrouten. »Wir sind eine Partei, die Haltung zeigt - in der Friedens- wie in der Flüchtlingsfrage.«

LINKE kann »die gesellschaftliche Dynamik nach links verschieben«

Update 21.55 Uhr: Ex-MdB Richard Pitterle kritisiert »widerliche Unterstellungen« aus dem Parteivorstand gegen Wagenknecht und verlangt Ende der Kämpfe aus dem Vorstand gegen die Fraktionsführung.

Update 21.05 Uhr: Klaus Lederer: Nationale Arbeiterschaft abzugrenzen ist Sektiererei. Eine internationalistische Linke braucht keine romantische Rückbesinnung auf die 70er Jahre.

Update 21.00 Uhr: Solid-Redner wendet sich dagegen, dass »eine Fraktionsvorsitzende« die Partei mit Medienkampagnen vor sich her treibt.

Update 20.35 Uhr: Riexinger: Linke verliert ihr Herz und ihre Seele, wenn sie sich auf Verwaltung von Missständen und nationalstaatliche Verteilungskämpfe beschränkt.

Update 20.30 Uhr: Riexinger: Linke streitet für massive Senkung der Fahrpreise bis zum Nulltarif.

Update 20.25 Uhr: Riexinger: Linke steht dafür, dass Lohnabhängige und Erwerbslose ihre Interessen gegen Kapitalisten durchsetzen, nicht gegen Geflüchtete.

Update 20.20 Uhr: Riexinger: Merkel muss sicherstellen, dass Deutschland nicht in Krieg gegen Iran hineingezogen wird.

Update 19.50 Uhr: Gleich spricht Parteivorsitzender Bernd Riexinger
Der LINKE-Parteitag in Leipzig hat begonnen, das Frauenplenum ist gelaufen, nach der Pause füllt sich der Saal auf dem Messegelände wieder. Nächster Punkt: Rede des Parteichefs Benrd Riexinger.

LINKE kann »die gesellschaftliche Dynamik nach links verschieben«
Leipzig. Begleitet von der Debatte um die Migrationsfrage kommt die LINKE am Wochenende zu ihrem Bundesparteitag in Leipzig zusammen. Im Zentrum steht die Neuwahl der Parteiführung. Die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger stellen sich zum dritten Mal zur Wiederwahl – ohne Gegenkandidaten. Vor der Abstimmung, die am Sonnabend stattfindet, debattieren die 580 Delegierten den Kurs der Partei. Nach einer Eröffnungsrede Riexingers ist der Beginn der Generaldebatte für Freitagabend (20.30 Uhr) vorgesehen.

Im Leitantrag des Parteivorstands ist in der Flüchtlingspolitik ein »Dreiklang« festgeschrieben: die Bekämpfung von Fluchtursachen, offene Grenzen für Flüchtlinge und eine »soziale Offensive« für alle Menschen im Land, um soziale Verwerfungen zu verhindern.

Kipping machte kurz vor Beginn des Bundesparteitags klar, sie werde keine weiteren Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik mehr dulden. »Die Frage wird dort geklärt, und danach sind alle aufgerufen, dass man einen Strich unter die bisherigen Auseinandersetzungen ziehen möge und nach vorne schaut«, sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie ermahnte dazu, die Partei nicht zu schädigen. »Die LINKE hat das Potenzial, die gesellschaftliche Dynamik nach links zu verschieben«, sagte sie. »Wenn die LINKE aber schlecht geredet oder angegriffen wird, und damit auch die Leistung der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter geschmälert wird, dann weckt das in mir Löwenmutter-Reflexe.«

»Ich hätte mir gewünscht, dass die internen Kritiker unserer Flüchtlingspolitik ihre Position auf dem Parteitag inhaltlich zur Abstimmung stellen«, sagte Kipping. »Darauf haben sie, warum auch immer, verzichtet. Stattdessen versuchen sie nun, mit semantischen Feinheiten etwas umzudeuten.« Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht hatte zuletzt erklärt, der Leitantrag sei für sie unproblematisch, weil dort nicht von »offenen Grenzen für alle« die Rede sei.

Wagenknecht kritisiert, die LINKE erreiche bestimmte Milieus nicht mehr, und warnte wiederholt unter anderem vor offenen Grenzen für alle und vor einer unbegrenzten Migration in den deutschen Arbeitsmarkt. Kipping und Riexinger werfen ihr vor, sich damit in der Flüchtlingspolitik von linken Positionen zu verabschieden. Das Thema dürfte bei der Generaldebatte am Freitagabend und Samstagmorgen eine wesentliche Rolle spielen.

Auch bei der Personalaufstellung gibt es Spannungen. Kipping und Riexinger haben als künftigen Bundesgeschäftsführer den Vize-Parteichef aus Sachsen-Anhalt, Jörg Schindler, vorgeschlagen. Gegen ihn tritt überraschend ein Gegenkandidat an, der frühere Bundestagsabgeordnete Frank Tempel.

In Umfragen steht die Linke derzeit zwischen 9 und 11,5 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte sie sich um 0,6 Punkte auf 9,2 Prozent verbessern können. Ihr Ziel, drittstärkste Kraft zu bleiben, hatte sie aber verfehlt. AfD und FDP erzielten bessere Ergebnisse. Nach der Wahl brachen Konflikte zwischen den Parteichefs sowie den Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch neu auf. Agenturen/nd

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