Was kostet die Dieselnachrüstung?
In der Abgasaffäre rücken Hardware-Lösungen allmählich in den Mittelpunkt der Debatte
Kommt doch noch die verpflichtende Hardware-Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge? Unklar ist aber weiter, wo und für welche Autos diese gelten soll. Und vor allem: Wer wird die Kosten tragen?
Von Kurt Stenger
Die Diskussion über eine verpflichtende Hardware-Nachrüstung älterer Dieselmodelle wird intensiver. Hier wirkt die normative Kraft des Faktischen: In Hamburg gibt es erste Diesel-Fahrverbote auf zwei Strecken, Aachen muss sie nach einem Gerichtsurteil demnächst einführen und auch weitere Städte mit zu hoher Schadstoffbelastung werden nicht um sie herumkommen. Es droht ein Flickenteppich, den kaum ein Autofahrer überblicken kann und die Durchsetzung von Verboten erschweren würde. Das Chaos ließe sich vermeiden, wenn bei den schmutzigen Diesel Motorsteuerung und Abgasanlage umgerüstet würden. Das Kraftfahrtbundesamt, welches dem Bundesverkehrsministerium untersteht, will laut einem Bericht schon bald die Betriebserlaubnis für ein erstes Nachrüstset für ältere Dieselautos erteilen.
Einen politischen Vorstoß gibt es nun offenbar von der grün-schwarzen Regierung in Baden-Württemberg, die Verkehrsverbote in der Landeshauptsstadt Stuttgart vermeiden will und seit langem Hardware-Nachrüstungen fordert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe am Freitag bei einem Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen »Geheimplan« vorgelegt, wie es »Spiegel Online« formulierte. Demnach solle Scheuer die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit Besitzer umgerüsteter Wagen einen Eintrag in die Fahrzeugpapiere oder eine andere Kennzeichnung bekämen. Nur so könnten Polizisten bei der Durchsetzung der Verbote erkennen, ob der betreffende Wagen sauber genug sei, um in die Stadt zu dürfen.
Kretschmanns Regierungssprecher Rudi Hoogvliet widersprach indes gegenüber dpa, dass es einen »Geheimplan« gebe. Es sei noch nicht entschieden, wie die Landesregierung in Sachen Diesel weiter vorgehe.
Tatsächlich ist bisher unklar, wen in der Autoindustriestadt Stuttgart Fahrverbote träfen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Luftreinhaltung vom Februar, dessen schriftliche Begründung seit einigen Wochen vorliegt, dürften Verbote für Dieselautos der älteren Normen Euro 3 und 4 unumgänglich sein. Wie der SWR berichtete, plant die Landesregierung aber auch Verbote für Euro-5-Diesel - diese Norm war bei Neuwagen von 2011 bis 2015 verbindlich und umfasst das Gros der Fahrzeuge. Die Regierung will Ausnahmen für Pendler und Anwohner beschließen, die ihre Dieselautos mit einer Hardware nachrüsten, die den Stickoxidausstoß massiv senkt. Nach Angaben des SWR solle die Industrie die Hälfte der Kosten tragen, den Rest sich das Land und die Autofahrer teilen.
Damit geht Grün-Schwarz auf die Autohersteller zu, die sich mit Verweis auf ihre Milliardenkosten vehement gegen die Nachrüstung stemmen. Schützenhilfe gab es von einem vom Verkehrsministerium eingesetzten Expertengremium, das von 5000 Euro je Fahrzeug ausgeht. Scheuer setzt wie die Autobranche allein auf die laufenden, deutlich billigeren Software-Updates und hat »technische, rechtliche und finanzielle Bedenken« gegen Hardware-Lösungen. »In die alte Dieselflotte zu investieren, ist nicht nur eine Investition in die Vergangenheit, sondern braucht auch unglaublich lange Zeit, nämlich eineinhalb bis drei Jahre«, sagte er.
Dagegen fordert Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Eingriffe an der Abgas-Hardware und zwar auf Kosten der Hersteller. Laut dem ihr unterstellten Umweltbundesamt wäre dies schon für 2000 bis 3000 Euro je Fahrzeug möglich. Auf Kosten von 1400 bis 3300 Euro je Fahrzeug kommt der Automobilclub ADAC, der in Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg die Nachrüstung von Euro-5-Dieseln testete. Ergebnis: Bei den vier Testfahrzeugen, die mit SCR-Katalysatoren ausgestattet wurden, lag der Schadstoffausstoß innerorts um bis zu 70, außerorts um bis zu 88 Prozent niedriger.
Dass Software-Updates Autokäufern zu wenig ist, zeigt eine aktuelle Studie des CAR-Centers an der Universität Duisburg-Essen. Demnach versuchten müssen die Oberklassehersteller Audi und BMW immer höhere Preisnachlässe gewähren, um ihre Dieselmodelle noch an die Kunden zu bringen. Demnach sei der Anteil sogenannter Eigenzulassungen auf mehr als ein Drittel aller Zulassungen gestiegen - solche Autos werden umgehend mit höheren Nachlässen an Privatkunden abgegeben.
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