- Sport
- Referendum über Olympia in der Schweiz
Schon wieder ausgerutscht
Auch die Bevölkerung des Kantons Wallis stimmt gegen eine Olympiabewerbung für die Winterspiele 2026
Thomas Bach muss weiter suchen. Der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) will die Spiele endlich mal wieder in der alten Welt stattfinden lassen, doch zumindest in Europa will sie offenbar keiner mehr haben. Am Sonntag kam das Aus für eine Bewerbung von Sion in der Schweiz für die Winterspiele 2026. Nicht einmal 65 Kilometer Luftlinie entfernt vom Hauptsitz des IOC scheint Olympia noch beliebt zu sein, denn bei einer Abstimmung im Kanton Wallis sprachen sich rund 54 Prozent der Bürger gegen die Kandidatur aus.
Offiziell wurde ein Kredit über 100 Millionen Schweizer Franken abgelehnt, mit dem der Kanton Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und für die Absicherung der Spiele bezuschussen wollte. In Sion selbst lehnten sogar 60 Prozent den Kredit ab. Ohne ihn ist die komplette Bewerbung gestorben. »Es gibt keinen Plan B«, hatte Sions Bürgermeister Philippe Varone schon vorher deutlich gemacht. Damit verbleiben derzeit sechs weitere Kandidaten für 2026: Calgary (Kanada), Cortina d’Ampezzo/Mailand/Turin (Italien), Graz (Österreich), Sapporo (Japan), Stockholm (Schweden) und Erzurum (Türkei). Die Entscheidung über den Gastgeber fällt das IOC im September 2019. Vorher könnten noch einige Absagen der jeweiligen Bevölkerung das Feld weiter einengen.
Die Pleite für die Olympiabefürworter reiht sich in so manche Niederlagen Gleichgesinnter in den vergangenen Jahren ein. 2013 und 2017 lehnte die Bevölkerung des Kantons Graubünden eine Kandidatur ab. Die Menschen in München und Krakow wollten ebenfalls 2022 keine Winterspiele vor der Haustür, die Hamburger und Budapester keine Sommerspiele 2024. Zum Glück fürs IOC wurde weder in Los Angeles noch in Paris das Volk befragt, so dass schnell an beide Städte die Spiele 2024 und 2028 vergeben wurden.
Das IOC hatte bekräftigt, auch die Winterspiele 2026 wieder in einer klassischen Wintersportnation austragen zu wollen, nachdem mit Sotschi für 2014, Pyeongchang (2018) und Peking (2022) keine für Wintersport bekannten Orte ausgewählt worden waren - zuletzt aus Mangel an geeigneten Gegenkandidaten. Doch vor dem Wallis hatte auch schon das österreichische Bundesland Tirol eine Absage erteilt - ebenfalls nach einem Referendum.
Mit der Agenda 2020 versuchte Bach schon vor Jahren gegenzusteuern. Das IOC versprach geringere Bewerbungskosten und mehr ökologische sowie ökonomische Nachhaltigkeit, doch ohne ein leuchtendes Beispiel, wie das funktionieren könne, bleiben die Zweifel groß. Die Olympiagegner argumentierten derweil erneut mit altbewährten Statements, die fast alle auf die Vergangenheit hinweisen: »Olympische Winterspiele wachsen von Mal zu Mal und können gar nicht bescheiden und nachhaltig sein. Der Energie- und Raumbedarf ist gigantisch«, hieß es auf der Website der Nolympia-Bewegung olympia-2026.ch. Die Austragungsorte würden zudem auf Schulden und gestiegenen Lebenshaltungskosten sitzenbleiben. Das IOC sei nicht vertrauenswürdig und ohnehin nur am »großen Geschäft« interessiert. Nicht alles davon ist mit aktuellen Studien nachweisbar, aber immerhin können die Gegner auf Fehler der Vergangenheit zeigen, während die Befürworter in der Regel nur Versprechungen abliefern können. So wären diesmal die sonst so teuren Neubauten von Sprungschanzen und Bobbahnen nötig gewesen. Doch erneut kam es zu einer Mischung aus fehlendem Vertrauen und der Frage, wofür man Olympia denn eigentlich brauche. Die haben bislang weder Thomas Bach noch die Agenda 2020 beantworten können.
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