Platzt Tschechiens Regierung?
Streit um den Außenministerkandidaten Miroslav Poche bringt Koalitionspläne ins Wanken
Die Regierungsbildung in Tschechien bleibt trotz der Zustimmung der Sozialdemokraten eine Hängepartie. Landesweit wurde die sozialdemokratische Basis befragt, ob sie einer Minderheitsregierung unter Führung des Agromilliardärs und Chef der Bewegung unzufriedener Bürger ANO, Andrej Babiš, zustimmen würde. Die Entscheidung fiel relativ knapp aus: 58,7 Prozent der befragten Mitglieder stimmten für ein solches Kabinett, das im Parlament von den Kommunisten geduldet würde.
Doch fraglich ist nun, ob die Regierung überhaupt zustande kommt. Die CSSD stellt fünf Minister, unter ihnen ist der Kandidat für das Außenministerium, Miroslav Poche. Doch weder Regierungschef Babiš, noch Staatspräsident Miloš Zeman wollen diese Personalie akzeptieren. Und auch die kommunistische Fraktion im Abgeordnetenhaus erklärte, dass sie die Regierung mit Poche als Minister nicht dulden werde.
Jan Hamáček, Chef der Sozialdemokratie, erklärte derweil am Sonntagvormittag, die Partei sehe keine Möglichkeit, ihren Kandidaten zurückzuziehen. Vor allem im mittelböhmischen Bezirk sowie in der Hauptstadt Prag hatte die CSSD Unterstützung für die Regierungsbildung erfahren. Und gerade von hier kommt der Europaabgeordnete Miroslav Poche.
Der Zwist zwischen Premier, Präsident und den Sozialdemokraten entzündete sich daran, dass Poche sich für eine liberale Flüchtlingspolitik einsetzt. Zudem hatte er sich während der jüngsten Präsidentenwahl deutlich für den Gegenkandidaten Zemans, Jiří Drahoš, eingesetzt, der mit fast 49 Prozent der Stimmen nur knapp unterlag.
Doch außer dem persönlichen Ärger des als nachtragend bekannten Präsidenten, spielt seine antiislamische und flüchtlingsfeindliche Einstellung eine große Rolle bei der Ablehnung des sozialdemokratischen Kandidaten. »Wir brauchen im Außenamt keinen Gutmenschen«, erklärte Zeman der Presse.
Der Chef der Prager Sozialdemokraten, Petr Pavlik, erklärte, man werde den Vorschlag nicht zurückziehen. Babiš werde mit der gemeinsam ausgehandelten Ministerliste zum Sommersitz Lany des Präsidenten fahren, um die Bestätigung der Regierung zu erzielen.
Verfassungsrechtler Jan Kysely erklärte, eine Ablehnung Poches seitens Zemans sei verfassungswidrig. Der Präsident hätte nur bei schwerwiegenden Gründen die Option, einen vorgeschlagenen Minister nicht zu nominieren. Dies liege im aktuellen Fall Miroslavs Poches jedoch nicht vor.
Sollte der Präsident dennoch die Ernennungsurkunde nicht unterschreiben, würde die sozialdemokratische CSSD eine Verfassungsklage einreichen. Bis das Gericht in Brno dann entschieden hat, würde Babiš wohl weiter nur geschäftsführender Regierungschef sein.
Doch selbst wenn die jetzt vorgeschlagene Liste von Präsident Miloš Zeman abgesegnet wird, bleibt offen, ob die neue Administration das Vertrauen des Abgeordnetenhauses erhält. Babiš plante, bis Mitte Juli eine funktionierende Regierung aufzustellen - sollten die Abgeordneten dem jedoch nicht folgen, wären Neuwahlen unausweichlich. Die Situation in Prag bleibt vorerst ungeklärt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.