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»Die Details …
Kathrin Gerlof ist von der Geheimsprache der Bundesregierung auf Parlamentsanfragen regelrecht begeistert
… der Vergütungsvereinbarungen sind dem Kernbereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zuzurechnen.« Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen (die fast schärfsten Waffen der Opposition, gleich nach dem Untersuchungsausschuss und der Widerrede) sind nie schön zu lesen. So rein sprachlich betrachtet. Aber das muss auch nicht sein. Zwischen Politik und Prosa besteht hierzulande eine Art Dichotomie. Wo das eine ist, kann das andere sein.
Der Wettbewerb, ob man eine Bundesregierung und seine Ministerien mittels Kleiner Anfragen so lahmlegen kann, dass sie gar keine Zeit haben, anderen Unfug anzustellen, ist seit Langem in vollem Gang. Und Tatsache ist auch, dass nicht selten geradezu verblüffende Informationen ans Tageslicht kommen. Und zwar immer dann, wenn die Bundesregierung oder eine ihrer Ministerien keinen Dreh gefunden hat, die Herausgabe von Informationen zu verweigern. Wer regelmäßig Antworten auf Kleine Anfragen liest, ahnt, wie frustrierend das für die Leute sein muss, und liest - trotz grottiger, sprachlicher Qualität - die heimlich empfundene Freude heraus, wenn es doch klappt mit der Verweigerung.
So wie bei der Antwort auf die Kleine Anfrage bündnis90grüner Abgeordneter zum Vergütungssystem der Vorstände und Führungskräfte der Deutschen Bahn AG. Muss das ein Fest gewesen sein, ja geradezu ein trockener Orgasmus, folgende Antwort auf die Frage zu geben, inwieweit (die Autorin übersetzt das nicht minder grauenhafte Fragenkauderwelsch) sozusagen die Tantiemen der Vorstandsmitglieder unserer geliebten Deutschen Bahn abhängig sind vom Erfolg des Unternehmens: »Die erfolgsabhängige Jahrestantieme (immerhin, erfolgsabhängig!!) und die dieser zugrundeliegenden Kennzahlen nehmen eine wesentliche Steuerungsfunktion ein. Der Aufsichtsrat kann auf diesem Weg Anreize für eine erfolgreiche, nachhaltig angelegte Unternehmensplanung setzen. (Da muss in den vergangenen Jahren irgendwas schiefgelaufen sein, zumindest was die Nachhaltigkeit anbelangt.) Die umfassende Wahrung der Vertraulichkeit ist für den dazu erforderlichen offenen Dialog zwischen Geschäftsleitung und Überwachungsorgan von entscheidender Bedeutung.«
So, jetzt mal nicht an dem Wort Überwachungsorgan stoßen, wahrscheinlich ist der Aufsichtsrat gemeint, der ja ein Organ ist. Wichtig für uns ist diese Erkenntnis: Erführen wir, wie die bei der DB und anderswo ihre Tantiemen aushandeln, also wie die zum Beispiel Erfolg definieren, nach dem ja die Tantiemen der Vorstandsmitglieder angeblich bemessen sind, dann wäre der ansonsten offene Dialog zwischen Organ und Leitung nachhaltig gestört oder gar zerstört. Das können wir nicht wollen. Dass die Überwacher mit den Überwachten plötzlich nicht mehr offen reden.
Aber es kommt noch schlimmer: »Bei einem Bekanntwerden der Werte würde es Wettbewerbern, Vertragspartnern etc. möglich, ihre Tätigkeit zum Nachteil der DB AG und damit mittelbar zum Nachteil des Bundeshaushalts bzw. Staatswohls auszurichten.« Heißt: Wüssten wir, welche Tantiemen diese Vorständler der DB bekommen, gäbe es möglicherweise Krieg, mindestens aber wäre die BRD so geschädigt und geschwächt, dass wir uns die Folgen lieber gar nicht erst ausmalen wollen. Und dann schreibt die Bundesregierung: »Im Übrigen ist das grundrechtlich geschützte Recht der betroffenen Vorstände auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen.« Ist das nicht süß? Informationelle Selbstbestimmung für Vorstände. Davon können Asylsuchende, Arbeitslose, Hungerleiderinnen, Wohngeldbezieher, Aufstockerinnen, Tafelbesucher nur träumen.
Und nun der schönste Satz von allen, mit dem erklärt wird, dass für den Vorstand der DB Netz AG ein Sondermodell zur Erfolgsbeteiligung gilt: »Der Konzernerfolg wird niedriger gewichtet und erhält kein Profitabilitätsziel, sondern betrachtet ausschließlich die Kundenzufriedenheit.« Chapeau!
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