Welthungerhilfe hält »Ende des Hungers« für realistisch
Hilfsorganisation stellt Jahresbilanz vor und betont positive Entwicklungen. Diese seien allerdings durch Klimawandel und Kriege gefährdet
Während es auf der Welt so viele Geflüchtete gibt wie nie zuvor, haben sich die Zahlen bei Hunger, Kindersterblichkeit und Armut deutlich verbessert. Dies geht aus dem Jahresbericht 2017 der Welthungerhilfe hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Man dürfe sich die »Welt nicht schönmalen«, doch gebe es »enorme Fortschritte bei der Hungerbekämpfung in vielen Entwicklungsländern«, heißt es in dem Bericht. Die Zahlen sprächen hier eine eindeutige Sprache, so der Vorstandsvorsitzende der privaten Bonner Hilfsorganisation, Till Wahnbaeck. Die Kindersterblichkeit sei rapide gesunken, und die Rate der Hungernden habe sich weltweit in den vergangenen 30 Jahren halbiert. Laut Welthunger-Index habe es in den vergangenen 15 Jahren allein in Afrika einen Rückgang des Hungers um im Schnitt 30 Prozent gegeben. Auch die Kindersterblichkeit - in 45 Prozent der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren ist Unterernährung die Todesursache - sinke demnach. Lag sie vor 55 Jahren in Entwicklungsländern noch bei über 20 Prozent, sei die Kindersterblichkeit heute auf unter fünf Prozent gesunken. Es gebe also, so die Welthungerhilfe, Anlass zu realistischem Optimismus: Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sei »ein Ende des Hungers realistisch«.
Die Einschränkung folgte allerdings auf dem Fuße: »Diese Erfolge werden durch negative politische Rahmenbedingungen oder den Klimawandel wieder gefährdet«, hieß es. Dass die Zahl der Hungernden zuletzt mit 815 Millionen (Stand: Oktober 2017) erstmals wieder leicht angestiegen war, sei vor allem bewaffneten Konflikten und dem Klimawandel geschuldet.
Die NGO kritisierte zudem die aktuellen Debatten um Flucht und Migration nach Europa. So warnte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, davor, die Entwicklungszusammenarbeit zur Fluchtabwehr zu missbrauchen. Der Auftrag der Welthungerhilfe bestehe darin, die Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern, nicht darin, Migration einzudämmen. Man nehme solche Erwartungshaltungen gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte um Migration aber wahr, so eine Sprecherin der NGO gegenüber »nd«. So wüchsen die Erwartungen an die Entwicklungszusammenarbeit, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten. Dabei seien die Ursachen für Migrationsbewegungen keineswegs automatisch mit Entwicklungszusammenarbeit zu beheben, wie Dieckmann erklärte. »Die Mehrzahl aller Flüchtlinge flieht vor Kriegen, Gewalt und Verfolgung«. Hier könnten einzig politische Lösungen dazu führen, dass die Menschen in ihrer Heimat blieben. Darüber hinaus habe es Migration schon immer gegeben und werde es sie immer geben - auch ohne Hunger oder Kriege.
Die Welthungerhilfe habe 2017 Gesamterträge in Höhe von 263 Millionen Euro erzielt. Das Budget sei damit eines der höchsten seit Gründung der Organisation vor 55 Jahren. Die Spendeneinahmen lagen demnach 2017 bei 63,8 Millionen Euro (2016: 47,5 Millionen Euro). Öffentliche Geldgeber stellten 194,4 Millionen Euro, der Anteil der Bundesregierung habe dabei 45 Prozent betragen. Größter Einzelgeber sei zudem das Welternährungsprogramm der UNO mit 59 Millionen Euro gewesen.
Die höchste Förderung erhielten 2017 dem Bericht zufolge Südsudan, Liberia und Syrien/Türkei. Insgesamt habe die Welthungerhilfe eigenen Angaben zufolge 7,7 Millionen Menschen in Afrika, 3,6 Millionen in Asien und eine halbe Million Menschen in Lateinamerika unterstützt. Dabei machten Nothilfeprogramme fast ein Drittel des Aufkommens aus, gefolgt von Projektförderung in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt. Als konkretes Nothilfe-Beispiel nannte die NGO die Unterstützung von Rohingya-Flüchtlingen. Die in Myanmar ansässige muslimische Minderheit war im vergangenen Jahr Vertreibungen und Gewalt durch das Militär ausgesetzt, Ärzte ohne Grenzen sprach von mindestens 6 700 Toten. 688 000 Menschen flohen aus Myanmar ins Nachbarland Bangladesch. Mit Agenturen
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