• Politik
  • Repression gegen Regierungskritiker

Ägyptens Blogger im Visier

Staatschef al-Sisi macht nun auch vor prominenten Kritikern nicht mehr halt

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.

Staatschef Abdelfattah al-Sisi lässt am Nil Menschenrechtler, Blogger, Kritiker verhaften, während es den Menschen wirtschaftlich immer schlechter geht. Journalisten, linke und liberale politische Aktivisten, Bürgerrechtler - innerhalb von nur wenigen Wochen inhaftierten die Behörden die prominentesten unter den Kritikern des Präsidenten.

Das ist durchaus ein Kurswechsel. Denn die Behörden gehen zwar schon seit Jahren vor allem gegen politisch aktive Studenten und auch Journalisten vor; mehr als 40 000 Menschen seien zumindest zeitweise aus politischen Gründen in Haft genommen worden, so die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch. Doch Prominente wie den Blogger Wael Abbas oder die Frauenrechtlerin Amal Fathy verschonte man bisher.

Mehrmals verwiesen Regierungspolitiker und Parlamentsabgeordnete des Sisi-Lagers auch auf die beiden und andere, wenn sie von ausländischen Journalisten auf die Einschränkungen der Meinungsfreiheit hingewiesen wurden: Da seien doch Leute, die laut sagen, was sie denken, ohne dass ihnen etwas passiere. Man nehme Leute nur fest, wenn es einen juristischen Grund dafür gebe.

Und einen solchen Grund gibt es nun, aus Sicht der Behörden: Abbas, Fathy und mindestens zwölf weitere Prominente hätten »falsche Nachrichten« verbreitet. In Ägypten ist das ein Straftatbestand, wobei gemäß Gesetz eine Nachricht schon dann falsch ist, wenn sie inhaltlich von einer offiziellen Pressemitteilung abweicht.

So hatte Fathy berichtet, wie sie sexuell belästigt wurde, und die Regierung dafür kritisiert, dass sie Frauen nicht davor schütze. Wegen dieses Videos wurde sie in sozialen Netzwerken beschimpft und beleidigt. Ägyptische Nutzer, darunter auch einige Frauen, warfen ihr vor, Falschinformationen zu verbreiten.

Die Festnahmen laufen dabei stets nach dem gleichen Muster ab: Schwer bewaffnete, vermummte Polizisten stürmen nachts die Wohnung, nehmen die Gesuchten mit. Stets ist es der Anfang einer sehr langen Zeit im Gefängnis, weil auch ohne Fluchtgefahr bereits mehrwöchige Untersuchungshaft angeordnet wird; für die Erhebung einer Anklage hat die Staatsanwaltschaft bis zu zwei Jahre Zeit.

Der Blogger und Journalist Abbas schaffte es immerhin noch, über Facebook mitzuteilen, dass er verhaftet wird. Die Folge war Aufmerksamkeit, die stets einen Vorteil hat: Während beim Großteil der Festnahmen in den vergangenen Jahren unter Berufung auf den »Datenschutz« selbst der eigenen Familie keine Auskunft gegeben wurde, teilen die Behörden bei Prominenten wenigstens mit, dass die Person festgenommen wurde, und wo sie festgehalten wird.

Zudem bietet Aufmerksamkeit auch einen gewissen Schutz gegen die Folter, die in Polizeistationen weit verbreitet ist. Betroffene, Ärzte und Menschenrechtsorganisation berichten von extrem brutalen Methoden. Das Justizministerium erklärt dazu, es handele sich dabei »um Übergriffe von einzelnen Beamten«; Folter sei verboten. Doch wer Polizeigewalt zur Anzeige bringen will, muss die Polizisten klar identifizieren und weiterführende Belege vorbringen können. Wer das nicht kann, muss mit einer Anzeige wegen falscher Verdächtigung rechnen.

Auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat sich besorgt über die Verhaftungswelle gegen Journalisten, Blogger und Bürgerrechtler geäußert. Die verschärfte Gangart der Behörden setze die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in dem arabischen Land praktisch außer Kraft.

Dass die Regierung nun auch gegen prominente Kritiker vorgeht, dürfte vor allem am wachsenden Unmut in der Öffentlichkeit liegen: Die Präsidentschaftswahl im März brachte al-Sisi zwar das erwartete Ergebnis von 90+ Prozent; doch die Wahlbeteiligung war niedrig, und das auch, weil es der Wirtschaft schlecht geht und die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Fünf Jahre nach seiner Machtübernahme ist für viele klar, dass al-Sisi die Erwartungen nicht erfüllt hat.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.