»Horst, Du musst jetzt gehen«

Hedonistische Internationale organisierte Menschenkette mit Musik gegen den Bundesinnenminister Seehofer

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.
"Heimat-Horst muss weg" - Anti-Seehofer-Demo in Berlin

»Menschen ertrinken im Mittelmeer, während reiche EU-Länder ihre Häfen dichtmachen«, sagt Karsten Grabowski. Er gehört zur Sektion »Homeland Security« der Hedonistischen Internationalen, welche die Aktion an diesem Dienstagabend vor der Bayerischen Landesvertretung organisiert hat. »Horst Seehofer will die rechtsnationale Wende und hat Verbündete wie Orbán, Salvini und Trump«, fährt Grabowski fort. Man stehe vor einer historischen Bedrohung, wenn Trump und Salvini Geflüchteten das Menschsein absprechen durch Ausdrücke wie »Menschenfleisch« oder »Tiere«. Diese faschistischen Tendenzen stünden im direkten Zusammenhang mit Seehofers Politik. »Er will ein reaktionäres, rassistisches, chauvinistisches System«, sagt Grabowski. »Eigentlich müsste längst ein liberaler Abwehrkampf im Gange sein, aber niemand protestiert.«

Mit ihrer Aktion schlägt die Hedonistische Internationale radikale Maßnahmen vor: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) soll nach Bayern abgeschoben werden. Diese Forderung unterstützten laut den Veranstaltenden etwa 700 Menschen. Durch eine Menschenkette, welche den ganzen Block der Landesvertretung umschließt, wird diese umzingelt. Es gibt Redebeiträge, Performances und zwischendurch Techno-Musik zum Tanzen. Humoristische und ernste Beiträge wechseln sich ab. So tritt zum Beispiel ein Duo unter dem Namen »Bündnis anarchistischer Traditionsvereine für eine grenzenlose Heimat« auf, mit Akkordeon und Jodeleinlagen, Dirndl und Maschinengewehrattrappe. Die beiden singen zum Beispiel »Alter Horst, du musst jetzt gehen« und »Sie ist ein Model und sie trägt jetzt braun.«

Dann wiederum berichtet Ruben Neugebauer von Sea-Watch, wie schwierig es ist, an einem europäischen Mittelmeerhafen mit einem Schiff voller vor dem Ertrinken bewahrter Geflüchtete anzulegen. »Wir Seeleute sind weiter weg von der Heimat«, sagt Neugebauer. »Aber was wir kennen, ist der Heimathafen, den ein jedes Schiff hat.« Einen solchen habe man bis vor kurzem auch gehabt, in Italien. Aber nun lasse kaum ein europäisches Land noch zivile Rettungsschiffe an Land. Neugebauer hat zwei Forderungen: »Macht die Häfen auf! Und nicht nur Horst, sondern auch Salvini muss weg!« Salvini ist Innenminister Italiens und vertritt eine rechte und geflüchtetenfeindliche Politik.

Schließlich zieht der Lautsprecherwagen mit den Protestierenden zum Pariser Platz. Dort wird eine Erklärung des Bündnisses gegen Polizeiaufgabengesetze aus Bayern vorgelesen. »Wir nehmen Seehofer nicht wieder in Bayern auf!«, heißt es darin. Denn Bayern habe schon genug Probleme mit Fundamentalismus und konservativem Nationalismus. Berlin hingegen sei ein besseres Umfeld, um Seehofer zu resozialisieren.

Eine der Demonstrierenden, Nina Spatzl, findet den Vorschlag, Seehofer in Berlin zu behalten, gar nicht gut. »Wir fühlen uns als Exilbayern nicht mal mehr hier in Berlin sicher«, sagt sie. »Horst Seehofer ist ein zentraler Akteur des Rechtsrucks in Deutschland. Seine reale Macht als Innenminister stellt eine Bedrohung für alle Marginalisierten dar.« Mit Blick auf die Landtagswahlen habe er alle Skrupel fallengelassen und seine Nichtachtung von Menschenrechten habe sich sehr verschärft. Eine weitere Demonstrantin, Nina Brauch, trägt dazu das passende Schild: »Ich als Süddeutsche distanziere mich hiermit ausdrücklich von Horst Seehofer. Er ist ein Einzeltäter.« Seehofers Verhalten sei vor allem verantwortungslos. »Für den Erfolg in Bayern nimmt er das ganze Land in Geiselhaft.« Brauch vermutet, mit seiner Politik wolle er AfD-Stimmen für sich gewinnen. »Dafür sprengt er die Regierungskoalition.«

Auch Hanna Mars nimmt am Protest gegen Seehofers Politik teil. Sie freut sich über die gute Stimmung und die Möglichkeit zum Tanzen, ist aber auch traurig, dass der Protest notwendig ist. »Seehofer sieht Heimat nicht in Deutschland, sondern in Bayern.« Es sei überhaupt fragwürdig, dass eine Partei, die nur in Bayern gewählt werden könne, so einen starken Einfluss habe. Mars beklagt Seehofers menschenverachtende Positionen. »Sein Horizont ist nicht länger als eine Weißwurst.«

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