Am Schelmengraben wird’s gar nicht lustig
Hessen: In einer Wiesbadener Wohnsiedlung drohen drastische Mietsteigerungen - entgegen aller Versprechungen
Gegen eine drohende Erhöhung der Mietkosten um bis zu 15 Prozent durch die hessische Wohnungsbaugesellschaft GWH in der Landeshauptstadt Wiesbaden regt sich Protest. So sammeln dieser Tage Aktivisten eines Bündnisses, das vom örtlichen DGB und privatisierungskritischen Initiativen getragen wird, in der besonders betroffenen Wiesbadener Wohnsiedlung Schelmengraben am westlichen Stadtrand Unterschriften gegen die Pläne des GWH-Managements.
Die GWH Wohnungsgesellschaft Hessen ist eine Tochter der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba), die zu über 68 Prozent vom Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen getragen wird. Sie bildet nach eigenen Angaben das »wohnungswirtschaftliche Kompetenzzentrum« der Helaba. Kleinere Anteile an der Helaba halten das Land Hessen (8,1 Prozent), der Freistaat Thüringen (4,05) sowie der Rheinische Sparkassen- und Giroverband (4,75) und der Sparkassenverband Westfalen-Lippe (4,75).
Adressat des Protestes gegen die »gnadenlose Rendite-Gier der GWH« ist aber auch die Stadt Wiesbaden. Sie hatte noch vor Kurzem den Bewohnern des Schelmengrabens im Zusammenhang mit Plänen zur Nachverdichtung der Bebauung versprochen, die Baumaßnahmen würden die Lebensqualität im Wohnviertel erhöhen. »Das Neubauprojekt ist für die GWH hochprofitabel«, erklärt dazu die Stadtverordnete Brigitte Forßbohm (LINKE). »Dank des durch die Stadt gewährten Baurechts klettert der Wert der GWH-Grundstücke am Schelmengraben mit einem Federstrich in zuvor nicht vorstellbare Höhen.«
Doch nun werde die Lebensqualität der Betroffenen empfindlich gemindert, bemängelt das Bündnis, und zwar sowohl durch die Mietpreissteigerungen um bis zu 15 Prozent als auch durch die Art der Baumaßnahmen. »Ihnen bleibt nur der Wegzug oder ein Durchhalten, auch wenn dann ein immer größerer Teil des verfügbaren Einkommens für die Miete draufgeht und zum Leben weniger bleibt«, heißt es in einer Publikation des Aktionsbündnisses. Die Stadt habe es in der Hand gehabt, von der GWH im Zusammenhang mit dem für die Anwohner belastenden Eingriff der baulichen Nachverdichtung eine strikte Mietpreisbegrenzung zu verlangen, so die Kritik des Bündnisses. Der örtliche DGB-Vorsitzende Sascha Schmidt erinnert daran, dass die schwarz-grüne Landesregierung groß angekündigt habe, den Mietanstieg bei der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft Nassauische Heimstätte (NH) auf maximal ein Prozent pro Jahr zu begrenzen. »Seit Jahren steigen die Mieten in Wiesbaden bis ins Unermessliche, und es werden durch Spekulationen und Luxussanierungen immer mehr alteingesessene Mieterinnen und Mieter aus ihren Stadtvierteln verdrängt«, erklärte Schmidt gegenüber »nd«. So liege bereits in jedem fünften Haushalt die Mietbelastung bei über 40 Prozent des Einkommens. Zunehmend könnten sich auch Krankenschwestern, Feuerwehrleute oder Busfahrer nicht mehr leisten, am Arbeitsort zu wohnen.
Als »Kompetenzzentrum« der Helaba unterliege die GWH ähnlich wie die NH den Vorgaben der Landesregierung, erklärt Hans-Georg Heinscher von der örtlichen Initiative »Gemeinwohl hat Vorfahrt«. Er forderte die Wiesbadener Stadtspitze auf, sich direkt bei der GWH für einen Verzicht auf Mieterhöhungen und eine »strikte und ab sofort wirksame Mietpreisbegrenzung für die nächsten zehn Jahre« einzusetzen.
»Dass sich die Helaba dies leisten kann, zeigt ihr letzter Geschäftsbericht«, stellt Heinscher fest. Der Konzern hatte für 2017 einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 447 Millionen Euro gemeldet. Im Helaba-Verwaltungsrat sitzen neben örtlichen Sparkassenchefs und Landräten auch Landespolitiker wie Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU), Thüringens Finanzstaatssekretär Hartmut Schubert (SPD), die Landtagsabgeordneten Clemens Reif (CDU) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) sowie Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD).
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.