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»Prohibition ist ein Irrweg«

Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit: Repressive Politik gegen Drogenkonsumenten nutzt niemandem

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Als »drogenpolitisches Entwicklungsland« sieht der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit (akzept e.V) derzeit die Bundesrepublik. Noch immer werde Drogenpolitik nicht auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und internationaler Erfahrungen betrieben, sondern anhand »parteipolitischer Überlegungen und ideologischer Glaubenssätze«, betonte der akzept-Vorsitzende Heino Stöver bei der Vorstellung des 5. Alternativen Drogen- und Suchtberichts am Mittwoch in Berlin.

Die Bigotterie der herrschenden Politik wird vor allem bei der Unterscheidung zwischen der legalen Rausch- und Suchtsubstanz Alkohol und illegalen Drogen wie zum Beispiel Cannabis deutlich. Während Bier, Wein und Schnaps hierzulande als eine Art nationales Kulturgut betrachtet werden, ist - mit Ausnahme der sehr eng begrenzten medizinischen Verabreichung - der Cannabiskonsum geächtet und repressionsbewehrt.

Für Hubert Wimber, den ehemaligen Polizeipräsidenten von Münster, ist das schlicht »absurd«. Der festgestellte Besitz oder Konsum von Cannabis führe auch bei Kleinstmengen zwingend zu polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, obwohl es in diesen Fällen »kein Opfer und keinen Geschädigten gibt«. Und während fast 80 Prozent aller Gewaltdelikte im häuslichen und öffentlichen Raum in Verbindung mit Alkoholkonsum stehen, seien entsprechende Quoten im Zusammenhang mit Cannabis kaum messbar. Wimber wies ferner auf die Tendenz hin, Drogenkonsumenten aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben, besonders in aufgewerteten Stadtteilen.

Der Verband ist weit davon entfernt, die Risiken und Gefahren des Konsums psychoaktiver Substanzen zu verharmlosen. Aber eine prohibitive und repressive Politik gegen Konsumenten nutze niemandem, bekräftigte der Frankfurter Suchtforscher Bernd Werse. Im Gegenteil: Hilfs- und Beratungsangebote bei gleichzeitiger Strafverfolgung seien sinnlos und kontraproduktiv.

Neben einer umfassenden Entkriminalisierung des Drogenkonsums fordert akzept e.V. vor allem einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Im Mittelpunkt steht dabei der Ansatz der »Harm Reduction« (Schmerzreduzierung). Darunter versteht man Programme und Praktiken, die in erster Linie darauf abzielen, die negativen gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Konsequenzen des Gebrauchs von legalen und illegalen Drogen zu reduzieren, ohne dabei vorrangig auf Entzug und Abstinenz zu setzen. Gerade Opiatabhängige, von denen es laut Schätzungen in Deutschland rund 200 000 gibt, leiden in der Regel weniger an der stofflichen Sucht als an der Stigmatisierung und Kriminalisierung.

Längst ist durch Modellversuche in verschiedenen Ländern bekannt, dass die kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige in den meisten Fällen sowohl den Gesundheitszustand als auch die soziale Reintegration der Betroffenen befördern. Dennoch stehen in Deutschland kaum Plätze für derartige Programme zur Verfügung. Der Zugang zu ihnen ist alles andere als niederschwellig. Statt Drogenkonsumenten den unkalkulierbaren Risiken des Drogenmarktes mit seinen oftmals gefährlich gepanschten Produkten auszuliefern, müsse es ein mit Beratung verbundenes »Substanzmonitoring« von Drogen geben, forderte akzept-Vorsitzender Stöver. Zwar gibt entsprechende Versuche in etlichen Klubs, in denen der Konsum von »Partydrogen« wie Ecstasy allgemein üblich ist, doch eine rechtliche Grundlage dafür fehlt.

In letzter Konsequenz liefe das auf eine »kontrollierte und regulierte Ausgabe« von bislang illegalisierten Drogen hinaus. In Bezug auf Cannabis haben das einige Länder wie zum Beispiel Kanada bereits realisiert. Akzept sowie mehrere Vereinigungen von Juristen und Wissenschaftlern wollen weiter in diesem Sinne auf die Politik einwirken. Stöver betont, die meisten Experten seien sich »einig, dass eine prohibitive Drogenpolitik ein verhängnisvoller Irrweg ist«.

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