• Politik
  • Repression nach G20-Gipfel

Polizei durchsucht Wohnungen in Göttingen

Zwei Aktivist*innen im Visier der Ermittler / Anwalt und linke Szene kritisiert das Vorgehen der Polizei

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Jahr nach dem G20-Gipfel in Hamburg hat die Polizei eine Offensive gegen vermeintliche linke Straftäter gestartet. Nachdem am Dienstag im Raum Frankfurt fünf Verdächtige festgenommen wurden, haben Polizist*innen am Montagmorgen in Göttingen zeitgleich die Wohnungen von zwei Aktivist*innen durchsucht. Spontan versammelten sich Unterstützer*innen vor den Häusern, um ihre Solidarität mit den Beschuldigten auszudrücken.

Gegen einen der Beschuldigten wird im Zuge der Auseinandersetzungen beim G20-Gipfel in Hamburg ermittelt. Wie eine Sprecherin der Göttinger Polizei gegenüber »nd« erklärte, habe das Amtsgericht Hamburg den Durchsuchungsbeschluss am 26. Juni 2018 erlassen. Auch Beamte der »Soko Schwarzer Block« aus Hamburg waren an der Hausdurchsuchung beteiligt.

Der Beschuldigte soll am 7. Juli 2017 in Hamburg eine gefährliche Körperverletzung gegen einen Polizisten begangen haben. Der Beamte soll dabei offenbar zur Abwehr sogar einen Warnschuss abgegeben haben. An der Darstellung der Polizei gibt es allerdings Zweifel: »Der Beschuldigte befand sich zur Tatzeit nachweisbar in Japan. Angeblich soll er aber von Polizeibeamten erkannt beziehungsweise auf Lichtbildern und Videos identifiziert worden sein«, teilt Rechtsanwalt Sven Adam mit, der den Betroffenen rechtlich vertritt. »Der Vorwurf ist absurd und wir sind gespannt, wer sich für diese Falschbezichtigung verantwortlich zeichnet.«

Auf Nachfrage des »nd« erklärte die Pressestelle der Hamburger Polizei, dass sie nun prüfe, ob sich der Beschuldigte wirklich außer Lande befunden habe. Der 29-Jährige hat mittlerweile Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss erhoben.

Kritik am Vorgehen der Polizei kommt auch von Göttinger Aktivist*innen: »Die Hausdurchsuchungen reihen sich in bundesweite Kampagne gegen Linke ein und sind als hilflose Versuche der Polizei zu werten, nun doch noch Menschen für G20 verantwortlich zu machen«, sagte Alexandra Kahrlo, Sprecherin der Gruppe redical M, dem »nd«. »Die Soko Schwarzer Block hat einmal mehr deutlich gemacht, dass es ihr völlig wurscht ist wen sie trifft. Es scheint nur noch um das willkürliche Terrorisieren von Linken zu gehen«.

Den beiden Aktivist*innen wird außerdem vorgeworfen, an einem Angriff auf den AfD-Nachwuchspolitiker Lars Steinke beteiligt gewesen zu sein. Der Landeschef der niedersächsischen AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) war im März von Unbekannten angegriffen und leicht verletzt worden. »Hier soll eine Polizeibeamtin des vierten Fachkommissariats der Polizeiinspektion Göttingen meinen Mandanten auf einem Phantombild erkannt haben. Auch hier hat mein Mandant mit diesem Vorwurf nichts zu tun, was der weitere Verlauf dieses Verfahrens beweisen wird«, so Adam zu diesem Sachverhalt.

Auch die Aktivistin Kahrlo kritisiert das Vorgehen der Polizei scharf: »Es ist schon auffällig, mit welcher enormen Motivation Linke gejagt werden, während zeitgleich prügelnde Nazis Freifahrtscheine ausgestellt bekommen«. Damit spielt sie auf die zwei Göttinger Journalisten an, die im April von zwei Neonazis angegriffen und schwer verletzt wurden. Trotz Fotos der Täter und Täterbeschreibungen hat die Polizei bis heute keine Verdächtigen festgenommen. Das Verhalten der Behörden stand bundesweit in der Kritik.

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