Gipfel beschließt Ausbau der Festung Europa

EU-Gipfel einigt sich auf die Einrichtung geschlossener Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge / Wirtschaftssanktionen gegen Russland verlängert

  • Lesedauer: 3 Min.

Brüssel. Die EU-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel auf mehr Abschottung und einen restriktiveren Umgang mit Geflüchteten geeignet. So sollen in der Union geschlossene Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge eingerichtet werden. Diese sollen in Ländern entstehen, die sich freiwillig dazu bereiterklären. Das berichtet die dpa am frühen Freitagmorgen. Aus den Lagern heraus sollen die Menschen wiederum auf Staaten verteilt werden, die freiwillig mitmachen. Welche das sein könnten, blieb zunächst unklar.

Zugleich sollen nach dem Willen der Mitgliedsländer auch Sammellager in nordafrikanischen Staaten entstehen, damit sich weniger Migranten auf den Weg übers Mittelmeer machen. Geplant ist auch, dass die Grenzschutzagentur Frontex bis 2020 verstärkt und die EU-Außengrenzen stärker abgeriegelt werden.

Offen blieb zunächst, ob das von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren EU-Kollegen nach mehr als zwölf Stunden erzielte Ergebnis den Weg aus dem erbitterten Asylstreit in Deutschland weisen könnte. Merkel sucht dringend einen europäischen Ansatz, um die Zuwanderung von registrierten Asylbewerbern aus anderen EU-Ländern nach Deutschland zu verhindern. Anderenfalls will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) solche Migranten im Alleingang an der deutschen Grenze abweisen.

Auf europäischer Ebene war der Druck zu einer Einigung in den vergangenen Wochen gewachsen, seit in Rom die neue Regierung aus der faschistischen Lega und populistischen Fünf-Sterne-Bewegung im Amt ist. Diese hatte in den vergangenen Tagen den Schiffen privater Hilfsorganisationen die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt. Zuletzt hatte das Rettungsschiff »Lifeline« für Schlagzeilen gesorgt, das tagelang im Mittelmeer mit rund 230 Geflüchteten ausharren musste.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beklatschte zugleich die Beschlüsse des Gipfels. »Wir sind froh, dass es jetzt endlich einen Fokus auf die Außengrenzen gibt«, sagte Kurz am Freitagmorgen in Brüssel. Die Einigung sei ein »wichtiger Schritt in die richtige Richtung«. Auch Angela Merkel hat die Einigung begrüßt. Es sei eine »gute Botschaft«, dass die Staats- und Regierungschefs dazu einen gemeinsamen Text verabschiedet haben, erklärte die Bundeskanzlerin.

Pro Asyl dagegen übte scharfe Kritik. »Das ist der Gipfel der Inhumanität«, teilte Geschäftsführer Günter Burkhardt mit. Inhuman sei es, »Gefolterte und Verfolgte einfach so in Europa wegzusperren«. Auch die Idee der Plattformen außerhalb Europas kritisierte er. Die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller urteilte: »Dieser Gipfel beerdigt das Recht auf Asyl in Europa. Flüchtlinge sollen in Zukunft kaum mehr eine Chance haben, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen.«

Linksparteichef Bernd Riexinger hat die Beschlüsse indes als »Bankrotterklärung der Menschenrechte« kritisiert. »Die Doppelmoral von Angela Merkel und den EU-Staatschefs ist wirklich eine Schande«, sagte Riexinger. Als Beispiel nannte Riexinger »Internierungslager« in Afrika und in EU-Staaten, »Milliarden« für den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan »und weitere Abschottung an den Außengrenzen«.

Die Gipfelteilnehmer haben sich außerdem auf die Auszahlung der zweiten Tranche von drei Milliarden Euro für Syrien-Flüchtlinge in der Türkei geeinigt. Die Staats- und Regierungschefs forderten gleichzeitig von Ankara stärkere Anstrengungen, um einen Wiederanstieg der Flüchtlingszahlen auf der östlichen Mittelmeerroute zu verhindern. Auch die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die wegen des Ukrainekonfliktes verhängt wurden, sollen um sechs Monate verlängert werden. Agenturen/nd

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