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Mehr Hedonismus für die Linke
Die Fusion zeigt, dass Spaß haben und politisch sein kein Widerspruch sein muss
Es ist wieder soweit, zehntausende Menschen mit schlechten Outfits und guter Laune pilgern aus allen Winkeln Europas ins mecklenburgische Niemandsland. Der Grund: Die Fusion hat begonnen. Nach einem Jahr Abstinenz aufgrund finanzieller Probleme findet das mehrtägige Mega-Festival in diesem Jahr wieder statt. Es gibt viele gute Gründe, das Festival zu kritisieren: Seminare von BDS-Aktivist*innen, die chronisch verstopften Dixie-Klos, das ausschließlich vegetarische Essen. Doch ausgerechnet eins wird von vielen Linken kritisiert: der Hedonismus.
Was bedeutet das eigentlich? Während der Begriff häufig abwertend als Zeichen von Dekadenz und Egoismus benutzt wird, haben sich viele junge Pop-Linke den Begriff angeeignet und positiv umgedeutet. Hedonismus wird als kurzzeitiges Ausbrechen aus den Verhältnissen verstanden. Da es laut einem bekannten Frankfurter Soziologen kein richtiges Leben im Falschen gebe, könne man auch mal zwei Tage durchfeiern. Aber ist das noch links?
Ja, denn Spaß zu haben und politisch zu sein, ist kein Widerspruch. Gerade die Fusion, die Mutter aller Hedonisten-Happenings, zeigt, dass das möglich ist. Neben Party finden auf dem ehemaligen russischen Flugplatz politische Vorträge, Theateraufführungen und sogar Demos statt. Die Fusion verzichtet komplett auf große Sponsoren und füllt Jahr für Jahr die klammen Gruppenkassen von vielen linken Bewegungen. Außerdem: Festivals wie die Fusion sind in ländlichen Gebieten ein lautes und buntes Gegengewicht zum dörflich-rechten Mainstream und bergen ein enormes Politisierungspotenzial. Seien wir ehlich: Mit lauten Bässen kann man mehr Jugendliche erreichen als mit Latschdemonstrationen in grauen Innenstädten oder Vorträgen über die affirmativen Tendenzen neuer materialistischer Ontologien.
Und die Drogen? Eine immer wiederkehrende Kritik an der »Spaßlinken« ist der Konsum von kleinen, bunten Pillen. Während die »Volksdroge Alkohol« weitestgehend anerkannt ist, lösen chemische Drogen bei einigen Linke moralische, fast schon asketische Beklemmungen aus. Aber gerade aus emanzipatorischer Perspektive sollte das Eintreten für ein selbstbestimmtes Leben auch das »Recht auf Rausch« beinhalten.
Wer denkt, dass die Fusion frei von Rassismus, Sexismus und Antisemitismus sei, nur weil die »Straßen« des Festivals nach Helden der linken Bewegungsgeschichte benannt sind, linke Gruppen den Müll vom Trance-Floor einsammeln und bei Konzerten Antifa-Parolen gegrölt werden, sollte beim nächsten Mal vielleicht wirklich die Finger vom LSD lassen. Man sollte sich keine Illusionen machen: Das Ziel, eine viertägige »Parallelgesellschaft« oder gar einen »Ferienkommunismus« zu schaffen, scheitert schon beim happigen Eintrittspreis.
Deshalb darf man den politischen Charakter solcher Veranstaltungen nicht überschätzen. Man ist kein besserer Mensch, weil man mit Glitzer im Gesicht zu House-Musik wackelt. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ein puritanisch anmutender Spaßverzicht viel besser ist.
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