Drei Zeilen für die Pressefreiheit

Mit dem Verbot von »linksunten« wurden Grundrechte verletzt

  • Sven Adam, Kristin Pietrzyk und Angela Furmaniak
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der Internetplattform linksunten.indymedia.org handelte es sich zweifellos um eine Webseite, die dem besonderen Schutz der Pressefreiheit unterliegt. Obwohl hier ein Pressemedium komplett verboten worden ist, hält sich der bürgerrechtliche Aufschrei in Grenzen. Allein schon aus der Perspektive des Grundrechtsschutzes wäre mehr demokratische Empörung über das Verbot vonseiten der Presse und der kritischen Öffentlichkeit geboten.

Das Telemediengesetz regelt Ermächtigungsgrundlagen für staatliche Eingriffe gegen Veröffentlichungen im Internet. Diese Grundlagen sind geschaffen worden, um sicherzustellen, dass bei ihrer Anwendung das hohe Gut der zu schützenden Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit beachtet wird. Im Verfahren gegen »linksunten« wurde davon jedoch kein Gebrauch gemacht. Das Telemediengesetz wird in der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums mit keinem Wort erwähnt.

Die Verbotsverfügung widmet sich der Presse- und Meinungsfreiheit in lediglich drei Zeilen der insgesamt 91 Seiten umfassenden Begründung. Als Belege für die vermeintlich strafrechtswidrigen Zwecke der verbotenen Vereinigung und deren verfassungsfeindliche Grundhaltung werden nur einige wenige Artikel der gesamten Internetplattform angeführt. Nicht gewürdigt werden Zehntausende von Demonstrationsaufrufen, Erlebnisberichten, linken Debattenbeiträgen und Diskussionen. Sie spielen in der Lesart des Innenministeriums keine Rolle.

Unter das Vereinsgesetz fällt jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Diese weite Definition ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts breit auszulegen. Dies dürfte der Grund sein, weshalb das Bundesinnenministerium das Verbot von »linksunten« auf diese Rechtsgrundlage gestützt hat.

In der Verbotsverfügung wird allerdings zu den vermeintlichen Betreiber*innen der Plattform fast nur mit Mutmaßungen oder nicht belegten sogenannten Behördenzeugnissen des Verfassungsschutzes argumentiert. Alle Betroffenen haben sich - unabhängig von ihrer Verantwortlichkeit für die Plattform - entschlossen, gegen die Verbotsverfügung zu klagen. Sie kritisieren dabei das Verbot nach dem Vereinsgesetz, dessen Begründung von Substanzlosigkeit geprägt ist.

Für die gerichtliche Prüfung des Verbots ist das Bundesverwaltungsgericht, im weiteren Verlauf gegebenenfalls auch das Bundesverfassungsgericht zuständig. Der Verlauf des Verfahrens wird zeigen, ob die Klagebegründung die Gerichte zur Maßregelung des Bundesinnenministeriums bewegt. Anderenfalls könnte dieses Verbot erst der Anfang von möglichen weiteren Angriffen auf Medien und Organisationen sein, die den Innenministerien ein Dorn im Auge sind.

Dass dem Bundesverwaltungsgericht die rechtliche und politische Problematik des Verfahrens sehr bewusst ist, zeigt der Umstand, dass für die mündliche Verhandlung gleich drei Sitzungstermine anberaumt wurden. Diese finden ab 15. Januar 2019 im großen Saal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig statt.

Sven Adam ist Rechtsanwalt in Göttingen, Kristin Pietrzyk ist Rechtsanwältin in Jena, Angela Furmaniak ist Rechtsanwältin in Lörrach. Sie sind Mitglieder im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und vertreten Betroffene im »linksunten«-Verbotsverfahren.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.