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Liebe in Zeiten der Roboter
Ist Sex mit androiden Maschinen ein »Beziehungsmodell« für die Zukunft?
Roboter sind ein prägender Bestandteil unserer Arbeits- und Lebenswelt. Waren sie früher fast nur in der Industrie zu finden, erfüllen sie heute auch zahlreiche Aufgaben im Dienstleistungsbereich, in dem, wie Experten vermuten, künftig vermehrt androide Roboter zum Einsatz kommen werden. Das sind Maschinenwesen, die aussehen wie Menschen und sich vielfach menschenähnlich verhalten. Sie können zum Beispiel auf zwei Beinen laufen, Treppen steigen, ein Tablett transportieren, Getränke einschenken, die Waschmaschine bedienen.
David Levy, ein britischer Computerwissenschaftler, geht noch einen Schritt weiter. Er ist überzeugt, dass die Roboterentwicklung auch unserem Sexualleben neue Impulse verleihen wird. Bereits in 30 Jahren, schreibt er in seinem Buch »Love and Sex with Robots«, könnte Sex mit Maschinen eine gängige Liebespraxis sein. Dauerhafte Beziehungen zwischen Menschen und Robotern hält Levy dabei ebenso für denkbar wie regelrechte Eheschließungen. »Männer und Frauen, die mit allen möglichen elektronischen Gimmicks aufwachsen, werden androide Roboter auch als normale Freunde, Partner und Liebhaber akzeptieren.«
Was für ein Unsinn, mag mancher jetzt denken. Wer will schon mit einem gefühllosen Roboter schlafen? Die Überraschung: Jeder dritte Deutsche würde es zumindest mal ausprobieren. Das ergab die Zukunftsstudie »Homo Digitalis«, an deren Durchführung unter anderem das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) beteiligt war. Etwa 50 Prozent der Deutschen fänden zudem nichts dabei, wenn ihr Partner Sex mit einem Roboter hätte. Allerdings können sich nur sechs Prozent vorstellen, einen Roboter zu lieben. »Das deutet darauf hin, dass Sexroboter vor allem als Spielzeug und nicht als Menschenersatz wahrgenommen werden«, sagt IAO-Forscherin Kathrin Pollmann.
Sexspielzeug ist heute ein Milliardenmarkt. Besonders gefragt in vielen Ländern sind lebensgroße weibliche Puppen zum Aufblasen, die vornehmlich der Befriedigung männlicher Bedürfnisse dienen. Allerdings reagieren solche Puppen nicht auf äußere Reize. Hightech-Sexroboter tun dies; sie kommunizieren mit ihren Benutzern. Ein typisches Modell dieser Art kann seit 2017 weltweit käuflich erworben werden. Es trägt den Namen Samantha, ist mit üppiger Oberweite und Wespentaille ausgestattet und lässt sich auf acht verschiedene Modi einstellen. Darunter sind harmlose wie »Familie« und »Unterhaltung«, aber auch einen »versauten« Modus gibt es.
Entwickelt wurde der rund 6000 Euro teure Roboter von dem spanischen Elektroingenieur Sergi Santos, der dazu erklärte: »Mein Ausgangspunkt war ein Computermodell, das Emotionen und Gefühle simulieren kann.« Der Körper von Samantha ist deshalb überall mit Sensoren bestückt, die bei Berührung Signale an ein künstliches Gehirn senden. Dort werden sie verarbeitet und in verschiedene emotionale Zustände verwandelt. Der Roboter kann mehrere Stöhnlaute von sich geben und bei Bedarf einen Orgasmus vortäuschen. Santos hat Samantha zugleich so programmiert, dass diese zunächst ein romantisches Vorspiel erwartet, bevor es zur Sache geht. Außerdem kann sich die »Persönlichkeit« der Puppe verändern, und zwar in Anhängigkeit davon, wie ihr Benutzer sie behandelt.
Kritiker überzeugen solche wohlklingenden Worte indes nicht. »Die Sexroboter, die momentan auf dem Markt sind, sind stereotype Frauenfiguren«, erklärt die Psychologin Martina Mara vom Futurelab in Linz. Auch Samantha gleicht einer aus Silikon und Elektronik geformten Männerfantasie. Sie bedient traditionelle Rollenklischees und degradiert die Frau zum Besitztum des Mannes. Oder wie Mara sagt: »Sexroboter sind Wunscherfüllungsobjekte. Sie führen das aus, was ihnen befohlen wird. Der Sexroboter ist immer eine Art Sklavin.« Inzwischen hat sich sogar eine »Kampagne gegen Sexroboter« formiert, die ein Verbot solcher Maschinen fordert, um, wie es heißt, einer Verrohung der Sitten vorzubeugen. Wer zum Beispiel nichts dabei finde, Sexrobotern seinen Willen aufzuzwingen, der sei vermutlich auch geneigt, Gewalt gegen menschliche Sexpartner für legitim zu halten.
Gelegentlich wird empfohlen, Sexroboter therapeutisch einzusetzen. Zum Beispiel bei Männern, die ausgefallene Sexualpraktiken bevorzugen oder Schwierigkeiten haben, reale Partnerinnen zu finden. »Solche Menschen, die ansonsten zu sozialen Außenseitern oder Schlimmerem werden könnten, hätten so die Möglichkeit, sich emotional zu stabilisieren«, meint David Levy. Außerdem böten Sexroboter die Möglichkeit, das Gewerbe der menschlichen Prostitution überflüssig zu machen. Ein erstes Sexroboter-Bordell in Europa gibt es bereits. Versteckt in einem alten Stadthaus in Barcelona können Männer hier für 127 Dollar die Stunde die erotischen Dienste einer weiblichen Hightech-Puppe in Anspruch nehmen. »Geben Sie uns im Vorfeld bekannt, welche Fantasie Sie ausleben möchten. Wir tragen Sorge, dass sie erfüllt wird«, heißt es auf der Homepage des Bordells. Ein spanischer Reporter, der die Einrichtung inkognito besuchte, schreibt: »Die Zielgruppe des Clubs sind nicht die normalen Bordellgänger, dafür ist das Angebot zu teuer. Das Ganze richtet sich mehr an Leute, die einen Fetisch für Puppen haben.« Auch eine Vertreterin des Vereins »Hetaria«, der sich für die Rechte von Prostituierten einsetzt, bleibt skeptisch: »Klassische Bordelle werden dadurch garantiert nicht ersetzt.«
Für Aufsehen sorgte unlängst der amerikanische Computerspezialist Ronald Arkin mit seinem Vorschlag, Sexroboter bei der Therapie von Sexualstraftätern einzusetzen. Diese könnten mit Hilfe der Maschinen ihre triebhaften Fantasien ausleben, ohne lebende Personen zu schädigen. Arkin vergleicht seine Methode mit dem wirkungsvollen Einsatz von Methadon in der Drogentherapie. Kritiker halten einen solchen Vergleich für abwegig. »Meiner Meinung nach sind Roboter kein sinnvoller und nachhaltiger Weg, Täter von einem erneuten Sexualdelikt abzuhalten«, sagt die Psychologin Gerti Senger. Denn für Sexualstraftäter hätten Roboter den Nachteil, dass sie nicht zum Ausleben echter Machtfantasien taugten.
Noch ist unklar, wie sich der Gebrauch von Sexrobotern auf die Psyche von Menschen auswirkt. Zwar werden hierzu gelegentlich Studien durchgeführt. Die meisten Universitäten scheuen sich jedoch, auf diesem Gebiet zu forschen. Alfred Pauls vom Institut für Sexualmedizin der Berliner Charité fordert hier mehr Mut: »Wir können die Industrie da nicht einfach allein laufen lassen.« Andernfalls sei zu befürchten, dass die ethische Bewertung der neuen technischen Möglichkeiten weit hinter der realen Entwicklung zurückbleibe.
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