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Warschau - geschichtsträchtig und hipp

Eine nd-Leserreise führt Ende September in die polnische Hauptstadt

  • Lesedauer: 5 Min.

Das heutige Warschau ist ein Kind des 20. Jahrhunderts, vor allem seiner zweiten Hälfte. Selbst die malerische Altstadt wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ruinen wiederaufgebaut. Der eigenartige Widerspruch zwischen Alt und Moderne, der die Stadt auszeichnet, zieht seit Jahren immer mehr Besucher an.

Warschaus besonderen Reiz macht seit jeher die Lage im Grenzbereich zwischen Ost und West aus. Der Schriftsteller Andrzej Szczypiorski hatte einmal sehr treffend bemerkt, dass sich ein Franzose bereits in Warschau am Ziel wähne, wenn er aus Paris eigentlich nach Moskau zu reisen wünsche, und so ergehe es auch einem Russen, wenn er sich aus Moskau nach Paris begeben wolle: Auch er meine, in Warschau bereits am Ziel zu sein.

Noch immer ist das 1955 eingeweihte Geschenk der Sowjetunion, der Kultur- und Wissenschaftspalast mitten im Zentrum mit seinen 230,68 Metern das höchste Gebäude der Stadt und Polens. Seine von alle Seiten gut einsehbare Turmuhr ist die höchste in Europa. Von oben herab gibt es den wohl schönsten Blick über die Stadt, hinüber zur Weichsel, die in ihrem wilden Flusslauf bereits an die großen Ströme im Osten des Kontinents erinnert.

Gleich neben dem Kulturpalast wachsen immer mehr gläserne Banken und Hotels in die Höhe. Fragt man junge Leute nach den Attraktionen im Stadtzentrum, dann benennen sie eher als den bei vielen unbeliebten Zuckerbäckerbau aus der Stalin-Ära das 2007 eröffnete Hard-Rock-Café und den im gleichen Jahr fertiggestellten Einkaufstempel »Goldene Terrassen« gleich neben dem Hauptbahnhof. Mit seiner kuppelförmigen, extravaganten gläsernen Dachkonstruktion, unter der sich 225 000 Quadratmeter Läden, Büros, Kinos und Gaststätten befinden, könnte er in jeder Metropole der Welt für den Chic des 21. Jahrhunderts werben.

Beim Gang durch die Stadt stößt der aufmerksame Besucher auf Schritt und Tritt auf die Spuren aus dem Zweiten Weltkrieg, denn die deutsche Okkupation ist das blutigste Kapitel in der langen Geschichte Warschaus. Seit 2014 ist das neu erbaute Museum zur Geschichte der polnischen Juden in unmittelbarer Nachbarschaft des Denkmals für die Helden des Warschauer Ghettos ein besonderer Anziehungspunkt in der Stadt. Dargestellt wird das jahrhundertelange jüdische Leben in Polen und in dessen Hauptstadt, die einst das größte Ballungsgebiet jüdischen Lebens in Europa war. Die Spurensuche nach dieser glänzenden Vergangenheit führt unweigerlich auf den jüdischen Friedhof, der zu den größten Europas gehört und auf dem auch die Grabstellen der Eltern Rosa Luxemburgs erhalten geblieben sind.

So begeistert die Warschauer von ihrer sich ständig verjüngenden Stadt sind und wie unterschiedlich ihre Lieblingsplätze auch sein mögen - auf die original wieder aufgebaute Altstadt sind sie alle zu Recht stolz. Wenn man heute durch die mittelalterlich anmutenden Straßen und Gassen läuft, will man kaum glauben, das 1945 kein Stein mehr auf dem anderen lag: 1939 wurde das Königsschloss von Fliegerbomben getroffen und brannte teilweise aus. Unter Lebensgefahr retteten Kunsthistoriker architektonische Details und Elemente für den Wiederaufbau. Viele Häuser stürzten 1944 in sich zusammen, als während des Warschauer Aufstandes die Altstadt heftig umkämpft war. Nach der Niederlage der Aufständischen vertrieb die SS alle Überlebenden und zerstörte die übrig gebliebenen Bauten restlos mit Flammenwerfern und Sprengsätzen. Als die Stadt endlich vom Faschismus befreit war, entschied man sich, Altstadt und Königsschloss originalgetreu wiederaufzubauen. So wollte Polen ein Zeichen des Triumphes über die ehemaligen Besatzer und Zerstörer setzen. Ein beispielloses nationales Aufbauwerk begann.

Dass ganze Straßenzüge, Kirchen und letztlich auch das Königsschloss bis ins Detail meisterlich rekonstruiert werden konnten, daran hat einer gewichtigen Anteil, der zum Zeitpunkt des Wiederaufbaus schon 170 Jahre tot war: der Maler Bernardo Bellotto, der als Canaletto berühmt wurde. Seine 23 fast fotografisch exakten Bilder vom alten Zentrum Warschaus dienten den Restaurateuren gewissermaßen als Bauzeichnungen. Die Originale sind heute im Königsschloss zu sehen, ebenso Kopien von ausgewählten, aus der Asche neu entstandenen Gebäuden. Seit 1980 gehört die Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Als die Altstadt noch ihr ursprüngliches Gesicht hatte, stromerte auch ein kleiner Junge durch ihre Gassen, ein musikalisches Wunderkind, das bereits im Alter von sechs Jahren zum Liebling der Öffentlichkeit avancierte: Frederic Chopin. Er spielte in den Salons der Stadt und wurde wie eine besondere Attraktion bei Empfängen herumgereicht. 1826, als 16-Jähriger, begann Chopin am Warschauer Konservatorium Musik zu studieren. Da er, durch sein Elternhaus geprägt, ein großer Patriot war, spiegelte sich das ein Leben lang in seinen Kompositionen wieder. Eine besonders witzige Idee, ihn zu ehren, wurde vor einigen Jahren in der Altstadt verwirklicht: 14 marmorne Bänke vor Gebäuden, die eng mit Chopin verbunden sind, laden zum Verweilen ein. Auf Knopfdruck erklingt seine Musik, und wem es nicht reicht, dass sie in der Luft liegt, der kann sie sich über eine Steckverbindung auch herunterladen und mit in die weite Welt nehmen. Das würde Chopin sicherlich gefallen. po/hdi

Infos

Reisetermin: 28.9. bis 1.10.2018
Reisegrundpreis pro Person im Doppelzimmer: 465 € Einzelzimmer-Zuschlag: 98 €

Im Grundpreis enthaltene Leistungen:
Bahnfahrt Berlin-Hbf. nach Warschau und zurück mit einem EuroCity 2. Kl. inkl. Reservierung; 3 x Ü im DZ mit DU/WC im zentral gelegenen ***Hotel MDM, Frühstück; Transfers mit örtlichem Reisebus; Eintritte und Besichtigungen laut Programm; Informationsmaterial vor Reiseantritt.

Ausflug Schloss Wilanow: 25 Euro
Mindestteilnehmerzahl: 15 Personen

Die Reise wird begleitet von Holger Politt, der seit vielen Jahren in Warschau lebt und arbeitet.
Weitere Infos und Buchung: nd-Leserreisen, Frank Diekert
Tel.: (030) 29 78 16 20
E-Mail: leserreisen@nd-online.de
online: dasND.de/Warschau

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